Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Keine Ansprüche für im Januar 2017 erworbenen gebrauchten Audi A7 Sportback 3.0 l TDI quattro mit Motor EA896 Gen2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.06.2022; Aktenzeichen 2-08 O 1/22) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Berufung des Klägers gegen das am 17.06.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (2-08 O 1/22) wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadenersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in Anspruch.
Der Kläger erwarb zu gewerblichen Zwecken ausweislich der verbindlichen Bestellung vom 21.01.2017 (vgl. Anlage K1, Bl. 37 d. A.) ein Gebrauchtfahrzeug des Typs A7 Sportback 3.0 l TDI quattro, 180 kW (245 PS), Erstzulassung: 02.07.2012, mit einer Laufleistung von 111.409 km zu einem Kaufpreis von netto 25.210,08 EUR.
In das - in die Emissionsklasse Euronorm 5 eingestufte - Fahrzeug wurde ein Dieselmotor des Typs EA 896 Gen2 verbaut, welchen die Beklagten entwickelt und hergestellt hat. Das Fahrzeug verfügt über eine Technologie zur Stickoxidausstoßreduktion in Form einer Abgasrückführung (AGR), bei der durch das Ansaugsystem des Motors teilweise Abgase zurückgeführt werden und erneut an der Verbrennung teilnehmen. Der Umfang der in den Motor zurückgeführten Abgase erfolgt unter anderem temperaturgesteuert (sog. "Thermofenster").
Das streitgegenständliche Fahrzeug ist - unstreitig - nicht von einer Rückrufaktion des Kraftfahrtbundesamtes (nachfolgend: KBA) betroffen; es unterfällt allerdings einem freiwilligen Service-Maßnahmeplan, welchen die Beklagte im Rahmen des "Nationalen Forums Diesel" (nachfolgend: NFD) entwickelt hat. Dieser Maßnahmeplan sieht zur Emissionsverbesserung das nachträgliche Aufspielen eines Software-Updates vor.
Auf das streitgegenständliche Fahrzeug ist das Software-Update bislang noch nicht aufgespielt worden.
Mit anwaltlichen Schreiben vom 31.05.2020 forderte der Kläger die Beklagte zur Rückabwicklung des Kaufvertrages auf (vgl. Anlage K7, Bl. 108 ff. d. A.).
Mit der ursprünglichen Klage hat der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug einer für die Nutzung des Fahrzeugs zu leistenden Entschädigung Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs sowie die Feststellung der Schadenersatzpflicht und des Annahmeverzuges der Beklagten begehrt.
Der Kläger hat behauptet, der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs verfüge über eine Prüfstanderkennungssoftware. Die Beklagte habe in der Motorsteuerung eine Softwarefunktion implementiert, die anhand der Parameter des Prüfzyklus (NEFZ) erkenne, wenn sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde. Dies habe zur Folge, dass die Abgasreinigung durch Veränderung der Abgasrückführungsrate im Prüfzyklus anders funktioniere als im normalen Fahrbetrieb, so dass die Stickoxidgrenzwerte nur auf dem Prüfstand und nicht mehr unter normalen Bedingungen auf der Straße eingehalten würden. Die Beklagte habe damit systematisch gegen das Verbot, Abschalteinrichtungen zu verwenden, verstoßen.
Zur Begründung dieser Behauptung hat sich der Kläger u. a. auf ein Gutachten des Sachverständigen A sowie auf Messberichte der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bezogen, die eine Überschreitung der zulässigen Grenzwerte belegten.
Der Kläger hat gemeint, die Beklagte hafte nach §§ 826, 31 BGB, da sie bei Ausgestaltung der Abgasreinigung bewusst gegen die Erwägungsgründe der VO (EG) 715/2007 verstoßen und die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gegenüber dem KBA verheimlicht habe. Ferner stelle das im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierte Thermofenster unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, so dass auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 27 Abs. 1, 6 Abs. 1 EG-FGV bestehe. Die temperaturgesteuerte Abgasreinigung funktioniere nur in einem Temperaturbereich zwischen 17 bis 30°C, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter normalen Nutzungsbedingungen erheblich verringert werde (vgl. Schriftsatz vom 29.03.2022, S. 9 ff., Bl. 208 ff. d. A.).
Die Beklagte hat das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen in Abrede gestellt und sich insbesondere darauf berufen, dass der hier verbaute Motortyp (EA 896 Gen2, 3.0-Liter-Monoturbo) durch das KBA - insbesondere auch im Hinblick auf das Thermofenster - geprüft und nicht bestandet worden sei. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte u. a. auf eine amtliche Auskunft des KBA gegenüber dem Oberlandesgericht Stuttgart (vgl. Anlage B1, Bl. 172 ff. d. A.) Bezug genommen, welche "allgemeingültig" für Fahrzeuge mit dem streitgegenständlichen Motortyp gelte. Das KBA habe bei Entwicklung des freiwilligen Software-Updates - im Rahmen des NFD - die Bedatung der Motorsteuerung überprüft, keine...