Entscheidungsstichwort (Thema)
EU-Unternehmen kann seiner Rückzahlungsverpflichtung an Unternehmen mit Iran-Bezug nicht eigenen Vertoß gegen Iran-Sanktionen entgegenhalten
Normenkette
EU-Blocking-VO Art. 5, 11
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.04.2022; Aktenzeichen 2-05 O 406/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das am 01.04.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az. 2-05 O 406/18, werden zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Anschlussberufung zu tragen.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckbaren Betrages.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Rückzahlung einer Vorauszahlung, die Rückzahlung überzahlter Beträge aus Warenlieferung sowie die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten wegen der Nichterfüllung von Verträgen.
Die Klägerin ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der im Iran ansässigen A (im Folgenden: A). Die Beklagte, die vormals als B2 GmbH (im Folgenden: B) firmierte, ist auf die Herstellung von Graphitelektroden spezialisiert. Sie gehört seit 2016 zum japanischen B Konzern, dem auch Schwestergesellschaften der Beklagten in den USA angehören.
Mit Bestellbestätigung vom 04.05.2018 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über die Lieferung von insgesamt 3.350 metrischen Tonnen Graphitelektroden, welche die Beklagte unmittelbar an die A im Iran liefern sollte. Vorgesehen waren mehrere Lieferungen, die jeweils eine eigene Ordernummer hatten. Zum Ablauf der Zahlungen und Lieferungen vereinbarten die Parteien die Erteilung von Vorauszahlungsrechnungen (Pre-Payment Invoices) vor der jeweiligen Lieferung durch die Beklagte. Im Anschluss an die Lieferung stellte die Beklagte sodann eine Endrechnung, mittels der von der Klägerin geleistete Vorauszahlungen verrechnet wurden.
Am 08.05.2018 kündigten die Vereinigten Staaten von Amerika an, sich aus dem sog. Iran-Abkommen (Joint Comprehensive Plan of Action - JCPOA) zurückzuziehen und nach Ablauf einer sog. "Wind-Down"-Periode, welche eine Abwicklung der im Rahmen des JCPOA erlaubten Geschäfte ermöglichen sollte, zum 05.11.2018 ihre Iran-Sanktionen wiedereinzuführen. Die Wiedereinführung der Sanktionen erfolgte sodann mit Wirkung zum 07.08.2018 und zum 05.11.2018.
Die EU-Kommission nahm mit der Delegierten Verordnung (EU) 2018/1100 der Kommission vom 6. Juni 2018 zur Änderung des Anhangs der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen unter anderem den im Jahr 2012 von den Vereinigten Staaten von Amerika erlassenen "Iran Freedom and Counter Proliferation Act" (im Folgenden: IFCA) in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 (im Folgenden: EU-Blocking-Verordnung) auf.
Am 21.08.2018 schlossen die Parteien eine Vorauszahlungsvereinbarung (Advanced Payment Agreement, im Folgenden: APA), in der sich die Klägerin zur weiteren Vorauszahlung des Kaufpreises in Höhe von 41.423.130 Euro verpflichtete. Das APA enthält - in unstreitiger Übersetzung - u. a. folgende Regelungen:
"Präambel
... die Vereinigten Staaten haben die Wiedereinführung von US-Sekundärsanktionen gegen Iran angekündigt, welche auch den Finanzsektor betreffen und die Möglichkeiten Gelder vom Iran nach Deutschland und umgekehrt [zu transferieren] limitieren; ...
3. Stellt B nach eigenem Ermessen fest, dass die Exportkontrollsituation mit dem Iran den Versand des verbleibenden Produktvolumens an den Kunden nicht zulässt, was zu einem Überschuss der Kaufpreiszahlung auf dem Konto von B führen würde (im Folgenden "Überzahlung") gilt Folgendes:
a) B wird sich nach besten Kräften bemühen, eine Bank zu finden, die bereit ist, die Überzahlung auf das Konto des Kunden zurückzuzahlen.
b) Falls B keine Bank finden kann, die bereit ist, die Überzahlung auf das Konto des Kunden zurück zu überweisen, wird die Überzahlung auf einem Bankkonto der B verwahrt.
c) Die Kosten und/oder Erlös von B, die sich aus der Überzahlung ergeben, werden von der Überzahlung abgezogen oder auf diese aufgeschlagen (nachfolgend "Erstattungsbetrag" genannt).
d) B ist verpflichtet, den Erstattungsbetrag auf das Konto des Kunden zurückzuüberweisen, vorausgesetzt, dass die Exportkontrollsituation mit dem Iran - basierend auf einer Einschätzung nach billigem Ermessen durch B - eine solche Überweisung zulässt und andere rechtliche Anforderungen (z. B. aus dem Geldwäschegesetz) für diese Übertragung erfüllt sind.
...
f) Der Kunde bestätigt verstanden zu haben und akzeptiert das Risiko, dass die Überzahl...