Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverhältnis zwischen Versicherung und Sachverständigem; Behauptung des Bestehens eines "Überprüfungsverbots" als kreditschädigende Äußerung
Leitsatz (amtlich)
1. Stellt eine Versicherung die unzutreffende Behauptung auf, ein Sachverständiger vereinbare ein "Überprüfungsverbot", wird dadurch selbst dann kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Beteiligten begründet, wenn die Versicherung eigene, für sie tätige Hausgutachter beschäftigt.
2. In der unter Ziff. 1. genannten Äußerung kann jedoch eine kreditschädigende Äußerung i.S.v. § 824 BGB liegen.
Normenkette
BGB § 824; UWG § 2 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.02.2012; Aktenzeichen 3-6 O 6/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.2.2012 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilsausspruch zu 1. (Unterlassungstenor) wie folgt gefasst wird:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu behaupten,
dass die Gutachten der A ... GmbH ein Überprüfungsverbot enthalten
und/oder
"Eine Überprüfung gestattet die A nur, wenn das Gutachten vor Prüfung gezahlt wurde ... Die Bezahlung des Gutachtens kann nur dann verlangt werden, wenn die erbrachte Leistung (das Gutachten) vor Zahlung prüfbar ist. Bitte holen sie daher die schriftliche Erlaubnis des Urhebers ein oder aber beziffern Sie den Schaden auf andere Weise,"
wie geschehen in Anlagen K 1 bis K 5 zur Klageschrift.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 60.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckungssicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Wegen des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. verwiesen. Diese werden lediglich zu besseren Verständlichkeit des Berufungsurteils wie folgt zusammengefasst bzw. ergänzt:
Die Klägerin ist ein Kfz - Sachverständigenbüro, die Beklagte ist u.a. als Kfz-Schadensregulierer und Haftpflichtversicherung tätig. Die Klägerin verwendet in Ziff. 9. ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende Klausel:
"... Bis zur vollständigen Bezahlung des Gutachtens ist es ohne unsere ausdrückliche schriftliche Genehmigung nicht gestattet, das Gutachten oder Teile davon in irgendeiner Form oder irgend einem Verfahren zu vervielfältigen oder zu verbreiten ... Nach erfolgter Bezahlung sind wir damit einverstanden, dass das Gutachten und dessen Bilder für alle bei den Versicherungsgesellschaften regulierungsüblichen Verwendungen auch digitalisiert an deren Dienstleister weitergegeben werden ..." (Anlage K 6).
Gegenstand des Rechtsstreits sind mehrere Schreiben der Beklagten an Kunden der Klägerin, die auf die o.g. Klausel anspielen und in denen die Behauptung aufgestellt wird, die Gutachten der Klägerin enthielten ein Überprüfungsverbot. Exemplarisch wird auf Anlage K 4 verwiesen. Die Klägerin hält diese Schreiben für eine wettbewerbswidrige Anschwärzung und Herabsetzung, weil darin suggeriert werde, dass die Klägerin eine Überprüfung der Güte ihrer Arbeit verhindern wolle und dass ihre Schadensgutachten "unbrauchbar" seien.
Das LG hat der Beklagten antragsgemäß verboten, im geschäftlichen Verkehr zu behaupten, dass die Sachverständigengutachten der Klägerin ein Überprüfungsverbotenthalten und zu behaupten: "Eine Überprüfung gestattet die A nur, wenn das Gutachten vor Prüfung bezahlt wurde ... die Bezahlung des Gutachtens kann nur dann verlangt werden, wenn die erbrachte Leistung (das Gutachten) vor Zahlung prüfbar ist. Bitte holen Sie daher die schriftliche Erlaubnis des Urhebers ein oder aber beziffern Sie den Schaden auf andere Weise." Ferner hat das LG festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin allen Schaden zu ersetzen hat, der durch die als unzulässig bewerteten Handlungen entstanden hat. Der Zahlungsantrag auf Ersatz der Abmahnkosten ist abgewiesen worden.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiter. Sie wirft dem LG Rechtsfehler und fehlerhafte Tatsachenfeststellung vor. Zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis, denn die Beklagte beschäftigte lediglich angestellte Haussachverständige für Begutachtungen "in eigener Sache". Für wettbewerbsrechtliche Ansprüche sei die Klägerin daher nicht aktivlegitimiert. Die streitgegenständlichen Aussagen seien im Übrigen wahrheitsgemäß, denn die o.g. Vertragsklausel führe wege...