Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Keine Ansprüche wegen im Juni 2017 erworbenem gebrauchtem BMW Typ 520d Touring mit Motor N47
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.06.2021; Aktenzeichen 2-33 O 116/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 33. Zivilkammer - vom 11. Juni 2021, Az. 2-33 O 116/20, wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 30.023,53 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. "Dieselskandal" geltend.
Der Kläger erwarb am 16. Juni 2017 bei einer Niederlassung der Beklagten einen gebrauchten PKW BMW Typ 520d Touring, Erstzulassung 9. April 2014, mit einem Kilometerstand von 28.050 zum Preis von 32.940,- EUR, wobei der Kläger das Fahrzeug finanziert hat (Finanzierung bis Mai 2021). Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor mit einer Leistung von 135 kW ausgestattet und unterliegt der EURO-Norm 6. Bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat war streitig, über welchen Motor das Fahrzeug verfügt. Während der Kläger behauptet hat, das Fahrzeug habe einen Motor des Typs B47, hat die Beklagte behauptet, es handele sich um einen Motor des Typs N47 (in der Applikation N47D2001). Letzteres hat der Kläger nunmehr unstreitig gestellt.
Das Fahrzeug ist nicht von einem amtlichen Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (im Folgenden: KBA) betroffen.
Der Kläger hat behauptet, das Fahrzeug verfüge über diverse unzulässige Abschalteinrichtungen. Nur so lasse sich erklären, dass das Fahrzeug die Schadstoffgrenzwerte (NOx) der Euronorm 6 im realen Straßenbetrieb im Unterschied zu den Messergebnissen auf dem Prüfstand im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens massiv überschreite. Insoweit hat der Kläger umfangreich auf Messungen von Behörden und Prüfstellen (Umweltbundesamt zusammen mit TU Graz, DUH, unveröffentlichte, aber herausgeklagte Messungen des KBA, britisches Department for Transport, TÜV, ICCT) verwiesen.
Das eingebaute Thermofenster bewirke, dass nur in einem Temperaturbereich von + 20 bis + 30° C die Abgasrückführung zu 100 % funktioniere. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Wirkungsweise der Abgasreinigung iterativ reduziert und schließlich ganz abgeschaltet.
Darüber hinaus erkenne die Motorsteuerungssoftware im Rahmen des sog. "Hard Cycle Beating" anhand diverser Parameter (Drehzahl, Leistung/Beschleunigung, Zeit, Geschwindigkeit, kein Nebenverbraucher, Lenkradstellung), ob sich das Fahrzeug im Prüfstand im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens befinde: Nur in diesem Fall funktioniere die Abgasrückführung optimal. Es liege ferner eine Erkennung der Konditionierung und des Fahrzyklus vor, wodurch das Durchlaufen des NEFZ erkannt werde. Erkenne das Fahrzeug den Zyklus, werde die Abgasrückführung so angesteuert, dass die Abgasrückführung höchstmöglich erfolge; zudem werde durch Einspritzen von deutlich mehr AdBlue als im regulären Fahrbetrieb sichergestellt, dass die chemische Reaktion des NOx im Vergleich zu sonstigen Betriebsbedingungen deutlich verbessert werde.
Die Abgasrückführung werde nur bei Außentemperaturen zwischen 17 und 33 °C zu 100 % vorgenommen, über 33 °C und unterhalb von -11 °C werde sie vollständig deaktiviert. Zwischen -11 ° und plus 17 °C werde sie iterativ reduziert. Hinzu komme eine Reduktion der Abgasrückführung ab einer Drehzahl von 2.900 U/min, ab 3.300 U/min werde sie vollständig deaktiviert, eine Drehzahl von 4.000 U/min. sei jedoch je nach Beladung und Fahrstil üblich und zu erwarten. Ab einem Umgebungsdruck von 90 kPa werde sie ebenfalls reduziert und ab 88 kPa gänzlich deaktiviert.
Bei einem Gespräch zwischen den Zeugen A und B sei erörtert worden, dass es bei Fahrzeugen der Beklagten eine intern als 14/15-V Funktion bezeichnete Abschalteinrichtung gebe, die mit der bei Volkswagen eingesetzten Umschaltlogik vergleichbar sei.
Zudem sei die sog. On-Board Diagnose-Einheit dahingehend manipuliert, dass bei Änderung der Abgasreinigungsstrategie des Fahrzeuges durch Schließung der Abgasrückführung eine Fehlermeldung nicht ausgegeben werde.
Die Beklagte habe das Vorhandensein dieser Abschaltvorrichtungen dem KBA im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens nicht offengelegt; jedenfalls treffe die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast für die Angabe aller relevanten Daten im Genehmigungsverfahren. Die Abschalteinrichtungen seien auch nicht aus Motor- oder Bauteilschutzgründen erforderlich, so dass der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht eingreife. Jedenfalls hätte diesen Gefahren auch durch andere Maßnahmen begegnet w...