Entscheidungsstichwort (Thema)
VW-Dieselskandal: Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten
Normenkette
BGB §§ 31, 249, 286 Abs. 2 Nr. 4, § 826; FZV § 5 Abs. 1; ZPO § 138 Abs. 3, §§ 287, 308 Abs. 1, § 756 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.11.2019; Aktenzeichen 2-05 O 255/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 29. November 2019 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten und der weitergehenden Berufung des Klägers teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi Modell Q3 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... an den Kläger EUR 36.545,30 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus einem Betrag in Höhe von EUR 36.545,30 seit dem 6. August 2019 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.590,91 freizustellen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges Audi Modell Q3 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) ... in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug haben der Kläger zu 15 % und die Beklagte zu 85 % zu tragen. Von den Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug haben der Kläger 20 % und die Beklagte 80 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des gesamten vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt im Zusammenhang mit dem sog. VW-Abgasskandal Schadensersatz wegen des Kaufs eines Fahrzeugs der Marke Audi Modell Q3 2.0 TDI.
Der Kläger erwarb am 7. August 2012 von der A GmbH & Co. KG in Stadt1 zu einem Kaufpreis von EUR 47.750,00 einen neuen Personenkraftwagen der Marke Audi Q3, 2.0 TDI, 177 KW. Das Fahrzeug wies zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 0 km auf und sollte nach der erteilten Typengenehmigung die Voraussetzungen der Euro 5-Abgasnorm erfüllen. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 65.466 km und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtszug am 12. November 2020 einen Kilometerstand von 70.396 km auf.
Bei dem genannten Fahrzeug war - ebenso wie bei rund 2,4 Millionen weiteren Fahrzeugen der Beklagten - im Werk der Beklagten eine Motorensteuerungsgerätesoftware installiert worden, die es erkennt, wenn das Fahrzeug auf dem Prüfstand den sog. Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt, und dann einen besonderen Modus aktiviert (sog. Umschaltlogik). In diesem Modus wird die Rückführung von Abgasen im Vergleich zu dem normalen Betriebsmodus verändert, wodurch der nach der Euro-5-Norm vorgegebene NOx-Grenzwert während des Durchfahrens des NEFZ eingehalten wird. Im normalen Fahrbetrieb - auch unter vergleichbaren Bedingungen wie im NEFZ - wird dieser Modus deaktiviert, wodurch es zu einem höheren Schadstoffausstoß kommt. Durch Verwenden der Motorensteuerungsgerätesoftware erlangte die Beklagte die EG-Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug.
Das Kraftfahrt-Bundesamt verpflichtete die Beklagte mit zwischenzeitlich bestandskräftigem Bescheid vom 15. Oktober 2015, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 - wie sie auch bei dem hier in Rede stehenden Fahrzeug installiert ist - die aus Sicht des Bundesamtes unzulässige Abschaltvorrichtung zu entfernen und nachzuweisen, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Die Beklagte entwickelte ein Update für die Motorensteuerungsgerätesoftware, nach dessen Einspielen das Fahrzeug nur noch über einen einheitlichen Betriebsmodus verfügt. Das Kraftfahrt-Bundesamt sieht das Aufspielen des Updates als verpflichtend an. Wer davon absieht, muss damit rechnen, dass der Zustand des Fahrzeugs von den Prüforganisationen im Rahmen der Hauptuntersuchung als erheblicher Mangel eingestuft wird. Unter Umständen ist auch mit einem Entzug der Zulassung zu rechnen.
Am 18. September 2015 gab die US-amerikanische Umweltbehörde EPA bekannt, dass die Beklagte Abgastests manipuliere. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) richtete einen Untersuchungsausschuss wegen der vorbeschriebenen Manipulation ein. Es teilte mit, dass der Rückruf der Beklagten verbindlich sei und dass Fahrzeugen, die nicht umgerüstet werden, die Betriebserlaubnis entzogen werden könne.
Der Kläger meldete sich im Dezember 2018 zur Musterfeststellungsklage beim OLG Braunschweig (Az. 4 MK 1/18) an (BI. 51 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 2. Juli 2019 nahm der Kläger gegenüber dem Bundesamt für Justiz die Anmeldung zur Musterfeststellungsklage wieder zurück (B...