Entscheidungsstichwort (Thema)
Urheberschutz für Text, der auf übersinnliche Inspiration zurückgehen soll
Leitsatz (amtlich)
Für die Begründung von Urheberrechtsschutz kommt es auf den realen Schaffensvorgang an. Der geistige Zustand des Werkschaffenden ist unerheblich. Die Behauptung, das von einem menschlichen Schöpfer hervorgebrachte Werk verdanke seine Entstehung ausschließlich metaphysischen Einflüssen, steht einer Zuordnung des Werkes zu seinem menschlichen Schöpfer und der Zubilligung von Urheberrechtsschutz nicht entgegen.
Normenkette
UrhG §§ 2, 7, 97
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.04.2013; Aktenzeichen 2-6 O 424/12) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Frankfurt/M. - 6. Zivilkammer - vom 7.4.2013 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollsteckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 170.000 EUR und hinsichtlich der Kosten i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in der Hauptsache Sicherheit i.H.v. 170.000 EUR und wegen der Kosten i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin - eine amerikanische Stiftung - nimmt den beklagten Verein wegen der vermeintlich urheberrechtswidrigen Veröffentlichung von Passagen aus dem Buch "A Course in Miracles" u.a. auf Unterlassung und Auskunft in Anspruch. Der streitbefangene Text - "der Kurs" - wurde von einer US - amerikanischen Professorin für Psychiatrie, A, ab dem Jahr 1965 niedergeschrieben und mehrfach überarbeitet. A gab an, der Text sei ihr in aktiven Wachträumen von Jesus von Nazareth eingegeben und von ihr aufgezeichnet worden. 1975 stellte A eine redaktionell überarbeitete Version (C.-Edition) fertig, die von einer Stiftung, der "B" zum amerikanischen Copyright-Register angemeldet wurde. In der Rubrik " Autor" ist im Copyright-Register eingetragen: "Anonymous (A)". Die später in "D" (D) umbenannte Stiftung hat - nach von der Beklagten in der Vorinstanz bestrittener Behauptung - der Klägerin 1998 das Copyright übertragen. Aus dem Urteil des United States District Court - Southern District of New York vom 24.10.2003 in einem Rechtsstreit Penguin Books U. S. A. gegen New Christian Church of Full Endeavor geht hervor, dass die C.-Fassung in den USA keinen Copyright-Schutz genießt, weil sie ohne Copyright-Vermerk vorveröffentlicht worden war.
Die Klägerin wendet sich gegen die öffentliche Wiedergabe von Textpassagen aus der C.-Fassung in englischer Fassung gemäß der "English Brochure" (Anlage K 1a) sowie in deutscher Fassung gemäß der "German Brochure" (Anlage K 1b) im Internet. Wegen der weiter gehenden Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, zu deren Begründung er im Wesentlichen ausführt:
Zwar bestünden keine ernsthaften Zweifel, dass die von der Klägerin behaupteten schuldrechtlichen Vereinbarungen zur Rechteübertragung geschlossen worden seien. Rechtliche Wirkungen hätten dadurch aber nicht entstehen können, weil A nicht Urheberin des Kurses gewesen sei. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils sei der Kurs das Resultat eines Diktats. Die Parteien seien sich darüber einig, dass A einen diktierten Text wortwörtlich niedergeschrieben habe.
A sei deshalb an der Entstehung des Sprachwerkes ("Kurses") nicht in schöpferischer Weise beteiligt gewesen. Der Kurs sei das Resultat eines Diktates, das sie von Jesus von Nazareth empfangen habe.
Werkschöpfer i.S.v. § 7 UrhG könne nur sein, wer eine persönliche geistige Schöpfung hervorgebracht habe. Die Niederschrift eines Diktates erfülle diese Voraussetzung nicht.
Die Werkentstehung könne auch nicht mit der Tätigkeit einer hypnotisierten oder sich in Trance befindlichen Person verglichen werden. Bei solchen Personen seien Gedanken im Unterbewusstsein vorhanden, die durch die Hypnose oder Trance ans Licht gehoben würden, während A nichts Verborgenes ans Licht gehoben habe, sondern das Diktat von einem Dritten entgegengenommen und die ihr eingeflüsterten Worte nur für Dritte wahrnehmbar gemacht habe. Es gehe nicht um "Inspirationen aus dem Jenseits", sondern um ein Diktat und eine wörtliche Niederschrift. Es gehe auch nicht um diffuse spiritistische jenseitige Wesen, sondern um eine historisch verbürgte natürliche Person als durchaus möglichem Subjekt des Rechts. Die Auffassung, der Text sei von Jesus eingegeben worden, sei keineswegs irrational; so weise u.a. das Grundgesetz einen Gottesbezug auf und finde seine fundamentalen Wurzeln letzten Endes damit auch im Metaphysischen.
Auch die nachfolgenden Rechteeinräumungen seien daher unwirksam. Dass sie sich zu einem späteren Zeitpunkt offenbar für eine Copyright-Registrierung entschlossen habe, änder...