Entscheidungsstichwort (Thema)

Diesel-Skandal: Keine Ansprüche für im Mai 2018 erworbenen gebrauchten Audi A5 mit angeblichem Motor EA 189

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.06.2021; Aktenzeichen 2-10 O 322/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 2.6.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main und dieses Berufungsurteil sind gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für den 2. Rechtszug wird auf 28.200,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb von einem privaten Anbieter am 6.5.2018 einen gebrauchten Audi A5 Sportsback 2.0 TDM. Die Beklagte ist durch ihre Tochtergesellschaft Audi AG Herstellerin des Fahrzeugs.

Das Fahrzeug hat eine Typengenehmigung des Kraftfahrtbundesamtes nach der VO (EG) Nr. 715/2007. In dem Fahrzeug ist ein Motor der Klasse EA 288 eingebaut. Es verfügt über eine Abgasreinigungsanlage mit einer Einspritzung von Ad Blue (Harnstofflösung) aus einem gesonderten Tank. Diese zusätzliche Abgasreinigung schaltet sich mittels einer Abschalteinrichtung temperaturgesteuert ab (so genanntes Thermofenstern).

Über den Sinn dieser Abschalteinrichtung sind die Parteien uneinig.

Der Kläger hat im 1. Rechtszug behauptet, es handle sich um vorsätzlich sittenwidrig Abschalteinrichtungen vergleichbar denjenigen, die in der Fahrzeugreihe mit dem früher eingesetzten Motor EA 189 verbaut gewesen seien, durch welchen der sogenannte Dieselskandal ausgelöst worden sei. Im Übrigen werde gegen EU-Vorschriften verstoßen.

Die Beklagte hat behauptet, es handle sich bei dem Thermofenstern um eine technische Schutzmaßnahme gegen Versottung des Motors.

Hinsichtlich des näheren Vorbringens der Parteien im 1. Rechtszug wird Bezug genommen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 2.6.2021 und die gewechselten Schriftsätze der Parteien.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 2.6.2021, Az. 2-10 O 222/20, die Klage als unbegründet abgewiesen.

Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadenersatz aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB. Das Landgericht definiert Sittenwidrigkeit als ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln sei, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen. Dafür genüge eine vermögensschädigende Pflichtverletzung im Allgemeinen nicht. Es müsse vielmehr eine besondere Verwerflichkeit hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder der eingetretenen Folgen ergeben können. Das Landgericht zitiert hierzu eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in dem Urteil vom 25. Mai 2020, Az. VI ZR 252/19.

Das Landgericht konnte diese Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit im tatsächlichen Bereich nicht mit Sicherheit feststellen. Abschalteinrichtungen seien nicht per se unzulässig. Hierzu zitiert das Landgericht ein Urteil des europäischen Gerichtshofs vom 17.12.2020 mit Aktenzeichen C-693/18. Nach dem Vorbringen des Klägers bleibe faktisch offen, welche konkrete Abschaltmaßnahme in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut seien.

Der Kläger habe keine greifbaren Anhaltspunkte dargetan für eine illegale Abschalteinrichtung, welche einen Prüfstand erkenne und zwischen dem Prüfbetrieb (mit korrekten Abgaswerten) und dem Straßenbetrieb, in welchem die Abgasreinigung abschalte, unterscheidet.

Das Landgericht hat sodann die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dem Vorgängermotor EA 189 zitiert. Die Voraussetzungen einer unzulässigen Abschalteinrichtung müssten für jeden Motor gesondert festgestellt werden.

Dass der Motor EA 288 ebenso reagieren wie das Vorgängermodell sei durch das Kraftfahrtbundesamt widerlegt. Dies ergebe sich aus dem Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Aus dem Bericht ergebe sich, dass mehrere Fahrzeuge mit dem Motor EA 288 auf etwaige unzulässige Abschalteinrichtungen untersucht worden seien, auch Fahrzeuge der Marke Audi. Bei keinem der untersuchten Fahrzeuges der Baureihe EA 288 sei eine unzulässige Abschalteinrichtung wie bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 festgestellt worden.

Es habe auch keinen allgemeinen Rückruf für Fahrzeuge dieses Motortyps gegeben.

Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 2.6.2021.

Der Kläger hat gegen das ihm am 9.6.2021 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main am 28.6.2021 Berufung eingelegt und zugleich begründet.

Er stützt sein Rechtsmittel auf Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG. Das Landgericht habe sich nicht zu der von dem Kläger vorgelegten internen Applikationsrichtlinie geäußert. Auf dieser Richtlinie basiere de...

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