Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsunfall: kein ausreichender Sicherheitsabstand zum vorausfahrenden Motorrad
Leitsatz (amtlich)
Zur Anrechnung eines Mitverschuldens bei einem Verkehrsunfall, wenn ein angemessener Abstand zum vorausfahrenden Motorrad unterschritten wird.
Normenkette
BGB § 254; StPO § 8
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.09.2006; Aktenzeichen 2-20 O 88/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 7.9.2006 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M., Az.: 2/20 O 88/06 wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.129,34 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Baisizinssatz seit dem 11.10.2005 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 30 % und der Beklagte 70 % zu tragen.
Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung i.H.v. jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen eines Unfalls, der sich am 18.9.2005 ereignet hat.
Wegen der in erster Instanz getroffenen Feststellungen wird auf den Tatbestand des am 7.9.2006 verkündeten Urteils des LG Frankfurt/M. (Bl 152 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das LG Frankfurt/M. hat die Klage abgewiesen, da es aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme für erwiesen hielt, dass der Kläger den Unfall durch mangelnde Aufmerksamkeit selbst verschuldet hat, da es ihm im Gegensatz zu dem hinter ihm fahrenden Zeugen Z1 nicht gelungen war, rechtzeitig zu bremsen. Im Übrigen hat das LG die Auffassung vertreten, dass der Kläger bereits deshalb hafte, da die Betriebsgefahr des von ihm gefahrenen Motorrads eine auch nur teilweise Haftung des Beklagten überwiege, da sich die Betriebsgefahr der Motorradfahrer grundsätzlich als Verschulden gegen sich selbst begreifen lasse, so dass die Unfallfolgen schon deshalb als bewusst in Kauf genommen ganz überwiegend nicht auf einen Unfallgegner abgewälzt werden könnten.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er rügt die Beweiswürdigung des LG, das sich mit keinem Wort mit der Aussage des ebenfalls vernommenen Zeugen Z2 auseinandersetze und sich alleine auf die Aussage des Zeugen Z1 stütze, die es jedoch ebenfalls unzutreffend würdige. Im Übrigen zeige das Urteil eine Voreingenommenheit gegen Motorradfahrer.
Der Kläger beantragt, das am 7.9.2006 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M., Az.: 2/20 O 8/06 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, an den Kläger 10.136,03 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2005 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angegriffene Urteil. Er weist insbesondere daraufhin, dass der Kläger zu dem vor ihm fahrenden Zeugen Z2 lediglich einen angesichts der Geschwindigkeit unzureichenden Abstand von 10 bis 15m eingehalten habe. Aus welchem Grunde dieser habe plötzlich bremsen müssen, spiele für die Beurteilung des Sturzes des Klägers keine erhebliche Rolle. Der Zeuge Z2 habe auf das Auftauchen des Beklagten - wohl aufgrund eines früheren Erlebnisses - mit einer sachlich nicht begründeten Panikreaktion reagiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 4.10.2006 (Bl 184 ff. d.A.) und des Beklagten vom 30.1.2007 (Bl 215 ff. d.A.), vom 21.4.2007 (Bl 241 ff. d.A.) und vom 4.5.2007 (Bl 375 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat die Parteien persönlich zum Unfallhergang angehört und es hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2 gemäß des Beweisbeschlusses vom 27.2.2007, Bl 222 d.A..
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die gerichtliche Niederschrift vom 24.4.2007, Bl 344 ff. d.A. Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt und begründet worden.
Die Berufung ist auch zum Teil begründet.
Dem Kläger steht gegen ein Schadenersatzanspruch i.H.v. und ein Schmerzensgeldanspruch i.H.v. zu.
Der Kläger kann von dem Beklagten Schadenersatz und Schmerzensgeld gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 i.V.m. 223 StGB verlangen, da der Beklagte den Verkehrsunfall des Klägers durch eine Verletzung der ihm gem. § 8 Abs. 1 Nr. 2 StVO obliegenden Wartepflicht verursacht hat. Allerdings muss der Kläger sich ein Mitverschulden gem. § 254 BGB wegen der Unterschreitung eines angemessenen Abstands zu dem vorausfahrenden Motorrad anrechnen lassen.
Aufgrund der in zweiter Instanz wiederholten Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung der Parteien steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Beklagte aus einem untergeordneten Waldweg auf die Landstrasse fuhr, um die Fahrbahn des in diesem Moment etwa 7 - 10m weit entfernten Motorrad des Zeugen Z2 zu kreuzen und dann nach links abzubiegen, um seine Fahrt an der Landstrasse entlang in Gegenrichtung zu dem Zeugen Z2 fortzusetzen. Der Zeuge Z2, der sofort ein...