Entscheidungsstichwort (Thema)

Hemmung der Verjährung bei Vorliegen einer Abfindungserklärung unter Ausschluss etwaiger künftiger Schäden

 

Leitsatz (amtlich)

Das Einverständnis des Haftpflichtversicherers mit einer Abfindungserklärung des Geschädigten, in der Ansprüche wegen künftiger Schäden vorbehalten bleiben, beendet die Hemmung der Verjährung angemeldeter Ansprüche jedenfalls dann nicht, wenn die Möglichkeit eines Zukunftsschadens einigermaßen konkret im Raum steht.

 

Normenkette

PflVersG § 3 Nr. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 1 O 226/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14.12.2000 verkündete Urteil des LG Limburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage ist hinsichtlich der Zahlungsansprüche (mindestens 5.111,92 EUR Schmerzensgeld und 7.274,99 EUR Ersatz materiellen Schadens) dem Grunde nach gerechtfertigt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen materiellen Schaden aus dem Verkehrsunfall v. 19.8.1981 zu ersetzen, soweit er ab dem 1.1.2000 aufgetreten ist oder auftritt und nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Zur Entscheidung über den Betrag der streitigen Zahlungsansprüche wird die Sache an das LG Limburg zurückverwiesen, das auch über die Kosten der Berufung zu entscheiden hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Sie führt zum Erlass eines Teil- und Grundurteils unter Zurückverweisung der Sache an das LG zur Durchführung des Betragsverfahrens.

Der hinsichtlich seines Entstehungstatbestandes dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitige Direktanspruch der Klägerin auf Ausgleich der Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 19.8.1981 (§§ 823, 847 BGB, 7 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVersG) ist nicht gem. §§ 852 Abs. 1 BGB, 14 StVG, § Nr. 3 S. 1, 2 PflVersG verjährt. Ausweislich der Postzustellungsurkunden ist vorliegende Klage am 22.5.2000 erhoben worden. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen, so dass zunächst Unterbrechung und ab 1.1.2002 Hemmung eintrat (§§ 209 Abs. 1 BGB a.F., 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 1, 2 EGBGB).

Zwar liegt keine „konstitutive Befreiung” von der Verjährungseinrede vor. Eine solche kann in dem Umstand, dass die Beklagten den Vorbehalt der Klägerin in der Abfindungserklärung vom 22.12.1982 akzeptierten, wonach weitere Ansprüche vorbehalten bleiben, soweit eine unfallbedingte Verschlechterung des Gesundheitszustandes, ausgehend von dem Gutachten Dr. L. vom 20.10.1982, eintritt, nicht gesehen werden. Mit ihrer Zustimmung zu dem Vorbehalt haben die Beklagten weder ein selbstständiges Schuldanerkenntnis (§ 781 BGB) abgegeben, noch den Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihres Zukunftsschadens wie bei einem Feststellungsurteil gem. § 218 Abs. 1 BGB a.F. von der Verjährungseinrede freigestellt. Allein die nach dem Gutachten vom 20.10.1982 bestehende Möglichkeit des Auftretens weiterer Unfallfolgen erst nach mehr als drei Jahren rechtfertigt eine solche Auslegung nicht (§§ 133, 157 BGB; vgl. BGH v. 25.5.1992 – VI ZR 253/91, MDR 1993, 125 = NJW 1992, 2228 f.). Ein Anerkenntnis der Haftung ist im Text der Abfindungserklärung ausdrücklich verneint (vgl. BGH, VersR 1999, 382 [383]). Anlass für die Annahme, ohne Abgabe einer die Verjährung langfristig hinausschiebenden Erklärung von der Klägerin mit einer auf den Zukunftsschaden gerichteten Feststellungsklage überzogen zu werden, hatten die Beklagten ebenfalls nicht. Vielmehr ging die Ankündigung im Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23.11.1982 dahin, er könne derzeit nicht absehen, ob noch eine weitere Besserung eintritt, und werde deshalb nach Ablauf von zwei Jahren auf die Angelegenheit zurückkommen.

Als Verzicht auf die Verjährungseinrede (vgl. OLG Düsseldorf, VersR 1999, 587 f.; OLG Hamm v. 9.11.1994 – 32 U 114/94, VersR 1996, 78 f.) kann die Zustimmung der Beklagten zu dem Vorbehalt in der Abfindungserklärung ebenfalls nicht ausgelegt werden. Insoweit folgt der Senat den Gründen der angefochtenen Entscheidung (§ 543 Abs. 1 ZPO a.F.). Weder aus der Abfindungserklärung selbst, noch aus dem vorausgegangenen Schriftverkehr ergeben sich Anhaltspunkte für die Annahme, die Parteien hätten trotz der Ankündigung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, sich nach Ablauf von 2 Jahren wieder zu melden, die Frage der Verjährung regeln wollen. Nachdem die Parteien seit dem Schreiben vom 8.9.1981 in Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz gestanden hatten und die Verjährung zumindest bis zum Abschluss des Abfindungsvergleichs gehemmt gewesen war (§ 852 Abs. 2 BGB), stand der Klägerin hinsichtlich der vorbehaltenen Ansprüche auch nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Gutachten vom 20.10.1994 noch genug Zeit zur Herbeiführung einer Einigung mit den Beklagten oder für die Erhebung einer Feststellungsklage zur Verfügung.

Dem Eintritt der Verjährung ...

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