Entscheidungsstichwort (Thema)
Zivilrecht/Deliktsrecht und Amtshaftung
Normenkette
StVO § 2 Abs. 5, § 3 Abs. 2 a, § 35 Abs. 6; StVG § 7 Abs. 1, § 9; StVG § 18 Abs. 1; BGB § 249 S. 2, §§ 254, 284, 288, 823 Abs. 1, §§ 839, 847; PflVG § 3 Nrn. 1-2; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Hanau (Entscheidung vom 21.07.1999; Aktenzeichen 4 O 1376/97) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hanau vom 21.7.1999 wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu 1 bis 3 10 % als Gesamtschuldner zu tragen. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten zu 1 und 3 dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 190.000,- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich der ab 1.4.2000 fällig werdenden Beträge dürfen die Beklagten zu 1 bis 3 die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Beklagte zu 2 darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 700,- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer beträgt für die Beklagten zu 1) und 3) mehr als 60.000,- DM, für den Beklagten zu 2) 50.000,- DM.
Tatbestand
Der Kläger, ein 10 Jahre alter Junge, begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 30.05.1997 gegen 11.35 in der... vor dem Anwesen Nr. ... Ortsteil... ereignete.
Der Kläger, zu diesem Zeitpunkt 7 Jahre alt, befuhr mit einem Kinderfahrrad den Gehweg vor dem o.a. Anwesen. Der Beklagte zu 1 fuhr mit einem Müllfahrzeug... zulässiges Gesamtgewicht 24 Tonnen, die... aus Richtung... kommend auf der linken Straßenseite (in Fahrtrichtung des Lkws gesehen). Der Beklagte zu 2 ist der Halter des unfallbeteiligten Fahrzeuges, die Beklagte zu 3 dessen Haftpflichtversicherer.
Die... befindet sich in einem Wohngebiet. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge ist auf 30 km/h beschränkt. Zum Zweck der Verkehrsberuhigung sind dort Fahrbahnverengungen, auch durch Blumentröge, hergestellt worden. Eine solche befindet sich auch auf der rechten Fahrbahn (in Fahrtrichtung des Müllfahrzeuges gesehen) unmittelbar an der Unfallstelle.
Der Kläger fuhr auf dem rechten Gehweg (in Fahrtrichtung des Klägers) an dem ihm entgegenkommenden Müllfahrzeug vorbei. Das Müllfahrzeug befuhr nicht die rechte Straßenseite, sondern hielt für die einzelnen Entleerungsvorgängen jeweils am linken Straßenrand (in Fahrtrichtung des Müllfahrzeugs), also unmittelbar an dem von dem Kläger benutzten Gehweg. Dieser Gehweg ist an der Unfallstelle zwischen 1,40 m und 1,47 m breit und mit abgerundeten Bordsteinen zur Fahrbahn abgegrenzt. Der Kläger geriet aus zwischen den Parteien im einzelnen streitigen Gründen vor den linken Einzelreifen der vorderen Hinterachse und wurde von diesem überrollt.
Der Kläger wurde infolge des Unfalls schwer verletzt. Er erlitt ein Überrolltrauma beider Unterschenkel mit schwersten Weichteilverletzungen und drittgradig offener Tibiafraktur links sowie einen Volumenmangelschock mit disseminierter intravasaler Gerinnung. Der rechte Unterschenkel des Klägers wurde in Kniemitte amputiert. Hinsichtlich der weiteren Verletzungen und der Behandlung wird auf den fachärztlichen Bericht des Direktor der... Direktor der Klinik für Unfallchirurgie des Klinikums der... vom 29.09.1997 Bezug genommen (Bl. 15 ff).Der Kläger macht folgende Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend:
- Schmerzensgeld gegen die Beklagten zu 1 und 3, das mindestens 100.000,- DM betragen sollte,
- Schmerzensgeldrente gegen die Beklagten zu 1 und 3 von 400,- DM monatlich,
- Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten für zukünftige materielle Schäden, bezüglich der Beklagten zu 1 und 3 auch hinsichtlich zukünftiger immaterieller Schäden.
Der Kläger hat behauptet, aufgrund des am linken Bein eingetretenen massiven Weichteiltraumas sei wegen der Muskel- und Nervenverletzungen mit Funktionsbeeinträchtigungen des Beines zu rechnen, über deren Ausmaß erst nach Ende des Wachstums des Klägers eine endgültige Aussage möglich sei. Die Verletzungen und die sich anschließende Heilbehandlung hätten zu einer psychischen Wesensveränderung des Klägers geführt. Auch die am 16.02.1998 vorgenommene Entfernung der Gallenblase sei auf die Unfallverletzungen und die Heilbehandlung zurückzuführen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit dem 30.05.1997 zu zahlen,
2. die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ab 01.06.1997 eine monatliche Schmerzensge...