Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswürdigung durch den Tatrichter im Falle der Testierunfähigkeit wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 18.07.1991; Aktenzeichen 3 O 400/89) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilklammer – Einzelrichter – des Landgerichts Gießen vom 18.7.1991 – 3 O 400/89 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,– DM, soweit nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger ist mit 98.275,– DM beschwert.
Tatbestand
Der Kläger ist der Sohn der am 12.10.1899 geborenen und am 2.5.1989 verstorbenen Frau … aus erster Ehe. Die Beklagte ist die Tochter des Klägers. Frau … war in zweiter Ehe mit Herrn … verheiratet. Durch gemeinschaftliches Testament vom 13.11.1968 – auf das wegen der getroffenen Verfügungen im übrigen Bezug genommen wird, Bl. 35 f d.A. – setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Mit „Nachtrag zum Testament” vom 27.11.1990 – auf das im übrigen ebenfalls Bezug genommen wird, Bl. 37 f d.A. – bestimmten sie u. a.: „a) Der Längstlebende von uns wird beerbt von Landwirt … allein. … c) Der Längstlebende ist auch berechtigt, anderweit letztwillig zu verfügen.” Nach dem Tode ihres zweiten Ehemannes traf die Erblasserin mit Urkunde vom 13.12.1974 eine die bisherigen Testamente im Hinblick auf Vermächtnisse abändernde Verfügung; auf diese Urkunde – Bl. 40 bis 42 d.A. – wird Bezug genommen.
Frau … hatte im Jahre 1983 eine schwere Verletzung erlitten und längere Zeit in Krankenhausbehandlung gestanden; anschließend wohnte sie zeitweilig beim Kläger, zeitweilig bei ihrer Tochter … Nachdem sie sich – zuvor beim Kläger wohnend – einer erneuten klinischen Behandlung hatte unterziehen müssen, wurde sie Ende Mai 1985 zu ihrer Tochter entlassen. Im Juli 1985 beantragte der Kläger unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. … vom 9.7.1985 – Beiakte Pflegschaft AG Gießen 23 VIII 266/85, Bl. 1 und 2 – die Einleitung einer Gebrechlichkeitspflegschaft für Frau … Das Vormundschaftsgericht entschied unter dem 22. Juli 1985 antragsgemäß. Auf Beschwerde der Frau … hin und nach amtsärztlicher Begutachtung wurde die eingeleitete Pflegschaft unter dem 23.12.1985 umgewandelt in eine Einwilligungspflegschaft; auf Bl. 4, 13 f, 20, 21 der Pflegschaftsakten wird verwiesen.
Mit am 20.1.1986 errichteter letztwilliger Verfügung setzte Frau … unter Abänderung der früher getroffenen Anordnungen die Beklagte als Alleinerbin ein; wegen der Einzelheiten wird auf die Urkunde des Notars … vom 20.1.1986, Bl. 43 bis 45 d.A., Bezug genommen.
Der Kläger hat behauptet, die Erblasserin habe seit 1985 und auch im Januar 1986 unter einer fortgeschrittenen Cerebralsklerose gelitten; sie sei deshalb nicht in der Lage gewesen, Bedeutung und Reichweite letztwilliger Verfügungen zu erfassen und zu beurteilen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß er Alleinerbe der am 2.5.1989 verstorbenen … verwitwete … geborene zuletzt wohnhaft gewesen …, geworden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat sie beantragt,
festzustellen, daß sie Alleinerbin der am 2.5.1989 verstorbenen Frau …, geborene … geboren am 12.10.1899, zuletzt wohnhaft gewesen in … geworden ist.
Die Beklagte hat behauptet, die Erblasserin sei bis zu ihrem Tode im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte gewesen. Davon, daß das auch bei Abgabe der testamentarischen Erklärungen vom 20.1.1986 der Fall gewesen sei, habe sich der amtierende Notar persönlich überzeugt.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … sowie durch Einholung von Sachverständigengutachten. Wegen der Ergebnisse der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 2.7.1990 – Bl. 101 bis 114 d.A. – sowie die Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Schumacher vom 20.8.1990 und 3.1.1991 – Bl. 126 bis 151, 166 bis 177 d.A. – Bezug genommen. Die Pflegschaftsakte Amtsgericht Gießen 23 VIII 266/85 war Gegenstand der Verhandlung erster Instanz.
Mit Urteil vom 18.7.1991 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die mit der Widerklage begehrte Feststellung getroffen. Wegen des Sachvortrages erster Instanz im übrigen sowie der vom Landgericht gefundenen Begründung wird auf dieses Urteil – Bl. 191 bis 200 d.A. – Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter.
Er trägt vor, die Erblasserin sei im Januar 1986 nicht mehr testierfähig gewesen. Sie habe seit längerer Zeit, mindestens seit Beginn des Jahres 1985, unter einer fortgeschrittenen Cerebralsklerose gelitten, sie sei durchgehend zeitlich und örtlich völlig desorientiert gewesen.
Der Kläger trägt zum Beweisverfahren erster Instanz vor, der Sachverständige … habe in seinem Gutachten vom 20.8.199...