Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehen oder Mithaftung. Mitverpflichtung eines Lebensgefährten. Sittenwidrigkeit wegen krasser finanzieller Überlastung
Leitsatz (amtlich)
1. Abgrenzung zwischen Mitdarlehensnehmer und Mithaftenden.
2. Sittenwidrigkeit durch krasse finanzielle Überlastung.
Normenkette
BGB § 138
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 19.03.2012; Aktenzeichen 2 O 286/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 19.3.2012 verkündete Urteil des LG Limburg an der Lahn, Az.: 2 O 286/11, abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung dreier Darlehen, die der Finanzierung des Erwerbes eines Hausgrundstückes seitens der nichtehelichen Lebensgefährtin des Beklagten dienten.
Wegen der tatsächlichen Feststellung wird zunächst gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, wobei folgendes zu ergänzen ist:
Mit dem angegriffenen Urteil hat das LG Limburg an der Lahn den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt und dies damit begründet, dass der Beklagte der Klägerin die Rückzahlung entweder aus einem Verbraucherdarlehensvertrag als Mitdarlehensnehmer schulde, oder wegen eines vom Beklagten erklärten Schuldbeitrittes zu den Darlehensverpflichtungen seiner früheren Lebensgefährtin als Gesamtschuldnerin hafte.
Es könne nunmehr offen bleiben, ob die Erklärung des Beklagten entgegen dem Wortlaut der Verträge nicht als gemeinsame Aufnahme von Darlehen auszulegen sei. Jedenfalls erwiesen sich die Erklärungen des Beklagten, auch wenn man darin lediglich Mithaftungserklärungen erblicken wollte, bei der wertenden Gesamtschau nicht als sittenwidrigen i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB. Sittenwidrig und damit nichtig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB seien Rechtsgeschäfte nur dann, wenn sie gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstießen. Nach der Rechtsprechung des BGH könne z.B. demnach ein Bürgschaftsvertrag unter bestimmten Umständen sittenwidrig sein, wenn erkennbar eine strukturelle Unterlegenheit des Bürgen vorläge und für ihn nicht hinnehmbare, mit seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen unvereinbare Belastungen durch die Bürgschaft begründet würden.
Ein solcher Fall könne zwar auch bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vorliegen, dennoch sei eine Verpflichtung, die das Leistungsvermögen des Schuldners objektiv überfordere, nicht ohne weiteres ein Nichtigkeitsgrund. Für den Fall der Vereinbarung einer dem Immobilienerwerb dienenden Darlehensaufnahme sei eine Mitdarlehensnehmereigenschaft des als Mitdarlehensnehmer bezeichneten Partners, der nicht Alleineigentümer werde, in der Regel dann nicht gegeben, wenn dieser kein eigenes Interesse an der Darlehensaufnahme habe. Nach der Rechtsprechung des BGH liege in solchen Fällen dann eine Sittenwidrigkeit vor, wenn die Mithaftung den Mitdarlehensnehmer oder Bürgen in krasser Weise überfordere, etwa weil dieser voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines laufenden Einkommens und Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft allein tragen könne. Es sei dann widerleglich zu vermuten, dass der dem Hauptschuldner persönlich besonders nahe stehende Bürge oder Mithaftende die ihn finanziell überlastende Sicherheit aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in anstößiger Weise ausgenutzt habe.
Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor, weil die Immobilie bestimmt und geeignet gewesen sei, dem Beklagten und seiner früheren Lebensgefährtin als Lebensmittelpunkt zu dienen und das gemeinsame Familienwohnheim sein sollte. Wer Eigentümer der Immobilie werden sollte, sei lediglich eine Frage der internen Disposition gewesen. Der Beklagte habe mit seiner Familie dort schließlich mehrere Jahre gewohnt, bis es im Jahre 2005 nach Kündigung des Darlehens zur Trennung der Lebenspartner gekommen sei. Auch die Bedenken und Vorbehalte, die der Beklagte nach seinem Vorbringen gegenüber der konkreten Immobilie geäußert habe, seien lediglich für die interne Disposition bedeutsam gewesen. Die emotionale Verbundenheit mit seiner Lebensgefährtin möge zwar für ein mitbestimmendes Motiv für den Abschluss des Darlehensvertrages gewesen sein, aber nicht das alleinige. Der vom BGH entschiedene Fall, in welchem es um eine vermietete Eigentumswohnung gegangen sei, sei mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Hinzu komme, dass bei Abschluss des Darlehensvertrages eine Sicherung der Darlehensforderung der Klägerin durch Grundpfandrecht auf eine...