Leitsatz (amtlich)
1. Zum Empfang des Darlehens, mit dem der Erwerb einer Immobilie zu Steuersparzwecken finanziert wird, bei Auszahlung der Valuta an einen Dritten.
2. Kein Fortbestehen der durch eine Haustürsituation hervorgerufenen Überrumpelung bei einem Vertragsschluss, der mehr als vier Monate nach dem Besuch des Vermittlers erfolgt.
3. Ein Wissensvorsprung der Bank in Bezug auf die Höhe des Kaufpreises der kreditfinanzierten Immoblie, der geeignet ist, Schadensersatzansprüche des Darlehensnehmers auszulösen, erfordert neben einem objektiv sittenwidrigen Kaufpreis auch die Kenntnis der Bank von der Überteuerung. Diese Kenntnis kann nicht allein aufgrund der objektiven Überteuerung vermutet werden.
4. Zu den Voraussetzungen, unter denen bei Vorliegen eines institutionalisierten Zusammenwirkens zwischen der kreditgebenden Bank und dem Verkäufer oder Vermittler ein Wissensvorsprung der Bank vermutet werden kann.
5. Zu den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Verbrauchers gegen die Bank aus Art. 4 der Haustürwiderrufsrichtlinie wegen nicht ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerrufsrecht nach den Vorgaben des EuGH.
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 30.03.2005; Aktenzeichen 7 O 215/03) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.3.2005 verkündete Urteil des LG Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin verlangt Rückzahlung eines Darlehens, mit dem die Beklagte den Erwerb einer Eigentumswohnung zu Steuersparzwecken finanziert hat.
Nach dem Besuch eines Vermittlers in der Wohnung der Beklagten bot diese unter dem 5.2.1993 der Fa. A notariell beurkundet den Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages zum Erwerb einer konkret bezeichneten Eigentumswohnung an und erteilte ihr diesbezüglich umfassende Vollmacht (Bl. 13). Diese war nur aus wichtigem Grund widerruflich. Am gleichen Tag bestellte die Notariatsangestellte B namens der Beklagten eine Grundschuld an dem zu erwerbenden Grundstück (Bl. 68). Einen der Beklagten von der Klägerin mit Datum 28.5.1993 (Bl. 38) zugesandten schriftlichen Darlehensvertrag über 155.000 DM unterschrieb die Beklagte am 16.6.1993 und schickte ihn zurück (Bl. 40). Das Darlehen wurde über eine Grundschuld an der zu erwerbenden Wohnung abgesichert, der vereinbarte Zinssatz war auf fünf Jahre fest vereinbart und betrug anfänglich effektiv 8,17 %. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte ab dem 20.7.1993 an eine Zedentin der Verkäuferin. Am 7.7.1993 erwarb Herr C als Vertreter der Fa. A für die Beklagte eine noch zu errichtende Eigentumswohnung in der X- Straße in O1 zum Preis von 124.662 DM (Anlage K 27).
Im Jahr 1998 wurde das Darlehen prolongiert.
Nachdem die Beklagte ihre Zahlungen eingestellt hatte, kündigte die Klägerin das Darlehen am 23.6.2003 und macht den noch offenen Restbetrag mit der vorliegenden Klage geltend.
Das LG hat der Klage mit Urteil vom 30.3.2005, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, stattgegeben. Gegen dieses, ihr am 13.6.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.7.2005 eingegangene und am 11.8.2005 begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte, die Abweisung der Klage beantragt, ist der Ansicht, zur Rückzahlung des Darlehens schon deswegen nicht verpflichtet zu sein, weil sie es nicht empfangen habe. Die Auszahlung der Valuta an die Zahlstelle der Verkäuferin der Wohnung beruhe auf einer wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksamen Auszahlungsanweisung. Ihr stünden zudem Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zu, weil diese sie nicht auf die wucherische Überteuerung der Wohnung hingewiesen habe; der Wert der Wohnung habe zum Erwerbszeitpunkt lediglich 50.263,19 DM betragen. Der Darlehensvertrag zwischen ihr und der Klägerin sei bereits bei dem Hausbesuch des Vermittlers geschlossen worden, jedenfalls aber habe ihre Überrumpelung bis zur Unterzeichnung des Darlehensvertrags am 16.6.1993 fortgedauert.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet, ihr sei am 16.7.1993 eine Ausfertigung der notariellen Vollmachtsurkunde übersandt worden (Bl. 33).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z1 (Bl. 897, 1079), Z2 (Bl. 897, 1080), Z3 (Bl. 897, 1081), Z4 (Bl. 1111, 11 66), Z5 (Bl. 1111, 11 68), und Z6(Bl. 1211, 1220).
Die Berufung ist zulässig, insb. an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG die Beklagte zur Rückzahlung des Darlehens an die Klägerin verurteilt. Ein dahingehender Anspruch steht der Klägerin aus § 607 BGB a.F. zu.
1. Dem Rückforderungsanspruch der Klägerin steht nicht entgegen, da...