Leitsatz (amtlich)
Bei einem Beamten liegt - sofern keine Beamtenklausel vereinbart ist - Berufsunfähigkeit nicht erst dann vor, wenn allgemeine Dienstunfähigkeit im Sinne der Nichtverwendbarkeit auch in einem vergleichbaren Amt festgestellt ist, sondern bereits dann, wenn er die in gesunden Tagen zuletzt ausgeübte Tätigkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung zu mehr als 50 % nicht mehr ausüben kann.
Normenkette
BUZ § 2
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 04.07.2003; Aktenzeichen 2 O 495/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Gießen vom 4.7.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zur Vollstreckung gebrachten Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger - von Beruf Dipl. Handelslehrer - macht ggü. der Beklagten Ansprüche aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung geltend. Der Kläger erlitt am 5.7.1997 unverschuldet als Motorradfahrer einen Verkehrsunfall, bei welchem er u.a. eine schwerwiegende Kopfverletzung davon trug. Seine Tätigkeit als Lehrer konnte er erst wieder ab Februar 1998 - und zwar mit verminderter Stundenzahl - aufnehmen.
Die Beklagte leistete aus Kulanz Zahlungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung für den Zeitraum vom 6.1.1998 bis 31.7.1998, lehnte jedoch weitere Leistungen ab. Hieran hielt sie nach Einholung der Gutachten von Dr. A und Dr. B fest und belehrte den Kläger mit Schreiben vom 9.4.1999 (Bl. 29 d.A.) gem. § 6 BUZ über die Klagefrist.
Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst die Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom 1.8.1997 bis 5.1.1998 - unter Hinweis auf seine Krankschreibung - begehrt.
Im Laufe des Rechtsstreits ist die Beklagte - auf der Grundlage der von ihr eingeholten Gutachten von Prof. Dr. C. und Prof. Dr. D. - zunächst in eine neue Leistungsprüfung eingetreten, hat jedoch schließlich mit Schreiben vom 17.10.2000 (Bl. 213 f. d.A.) weitere Leistungen abgelehnt. Daraufhin hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 5.10.2001 erweitert und begehrt nunmehr zusätzlich bedingungsgemäße Leistungen für die Zeit ab Juni 2000.
Das LG hat Beweis erhoben zur Frage der Berufsunfähigkeit des Klägers gem. Beweisbeschluss vom 17.8.2000 (Bl. 101) nebst Ergänzung vom 12.10.2000 (Bl. 106 d.A.) durch Einholung eines neurologischen Gutachtens nebst neuropsychologischem Zusatzgutachten. Nach Vorliegen des Gutachtens von Prof. Dr. E. vom 14.2001 (Bl. 149 ff. d.A.) nebst Zusatzgutachten von Prof. Dr. F. vom 21.6.2001 (Bl. 136 ff. d.A.) hat das LG eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen E. (Bl. 274 ff. d.A.) gem. Beschl. v. 4.4.2002 (Bl. 269 f. d.A.) eingeholt.
Durch Urt. v. 4.7.2003 - auf dessen Inhalt (Bl. 308 ff. d.A.) wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird - hat das LG der Klage überwiegend stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. F und E. stehe fest, dass der Kläger seit Juni 2000 dauerhaft mindestens zu 50 % berufsunfähig sei. Eine Präklusion der Ansprüche ab Juni 2000 sei aufgrund des Schreibens der Beklagten vom 9.4.1999 nicht eingetreten. Auf eine Tätigkeit im Schulamt könne die Beklagte den Kläger mangels konkreter Darlegung der insoweit bestehenden Anforderungen nicht verweisen. Des Weiteren sei eine Verwaltungstätigkeit mit der bisher ausgeübten Lehrtätigkeit nicht vergleichbar.
Ansprüche für die Zeit vom 1.8.1997 bis 5.1.1998 stünden dem Kläger nicht zu, da nach den Ausführungen des Sachverständigen eine Prognose, ob eine dauerhafte Beeinträchtigung vorliege, sich erst zwei Jahre nach dem Unfall habe stellen lassen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte - unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag - mit der Berufung.
Sie ist der Auffassung, das LG habe - trotz ihres Vortrages in erster Instanz - völlig außer acht gelassen, dass vorliegend keine Beamtenklausel vereinbart sei, so dass es nicht darauf ankomme, ob eine Tätigkeit im Schulamt eine vergleichbare Tätigkeit sei. Da der Kläger Lebenszeitbeamter sei, liege Berufsunfähigkeit nur dann vor, wenn über die Dienstunfähigkeit in einer Sonderlaufbahn hinaus keine Möglichkeit statuswahrender Verwendung bestehe. Demgegenüber habe jedoch der Sachverständige Prof. E. ausdrücklich nur auf die Lehrtätigkeit des Klägers abgestellt. Darauf, dass im staatlichen Schulamt - wie im Schreiben vom 10.9.2000 mitgeteilt - keine Planstelle frei sei, komme es nicht an. Da es sich nicht um eine Verweisungstätigkeit handele, habe sie auch die konkreten Anforderungen einer Tätigkeit in der Verwaltung nicht aufzeigen müssen.
Dass der Kläger nur unter vermehrten Anstrengungen (Raubbau) in der Lage sei, eine Arbeitsbelastung von über 12 Wochenstunden auszuhalten, sei gerade bestritten gew...