Normenkette
VVG § 61
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 1 O 125/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 534 Abs. 1 a.F. ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das LG hat zu Recht einen Ersatzanspruch der Klägerin aus der Vollkaskoversicherung aufgrund des streitgegenständlichen Unfalles ggü. der Beklagten verneint. Die Beklagte kann sich auf Leistungsfreiheit wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles gem. § 61 VVG berufen.
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH r+s 1989, 209). Das Überfahren einer Rotlicht zeigenden Ampel stellt in aller Regel – so auch vorliegend – objektiv eine Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße dar und ist daher als grob fahrlässig zu bewerten (vgl. BGH v. 8.7.1992 – IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = VersR 1992, 1085). Der Geschäftsführer der Klägerin ist auf der vierspurigen – durch Grünstreifen getrennten – L.-Straße unter Außerachtlassung der rot zeigenden Ampel in den Kreuzungsbereich der H.-Straße eingefahren und hat hierdurch eine Kollision mit dem Fahrzeug der Zeugin H. verursacht, was objektiv als grob fahrlässig zu bewerten ist. Das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin stellt auch in subjektiver Hinsicht einen nicht entschuldbaren, schweren Sorgfaltsverstoß dar.
Zwar besteht kein Anscheinsbeweis dergestalt, dass aus dem Vorliegen eines objektiv schwerwiegenden Verstoßes auf ein grobes Verschulden geschlossen werden kann, vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes kann aber auf innere Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden (vgl. BGH VersR 1972, 945; v. 8.7.1992 – IV ZR 223/91, MDR 1992, 945 = VersR 1992, 1085). Abzustellen ist stets auf den Einzelfall, wobei subjektive Besonderheiten das Fehlverhalten in einem milderen Licht erscheinen und insofern den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entfallen lassen können. Derartige besondere – den Schuldvorwurf mindernde – subjektive Umstände sind vorliegend jedoch nicht gegeben.
Allein der Umstand, dass nach Auffassung der Klägerin der Unfall auf einem „Augenblicksversagen” beruhte, vermag nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH VersR 1992, 1086), der sich der Senat angeschlossen hat, den Schuldvorwurf nicht herabzusetzen. Das Überfahren einer Kreuzung – insb., wenn sie für den Verkehrsteilnehmer durch rotes Ampellicht gesperrt ist – birgt hohe Gefahren. Insofern muss von einem durchschnittlich sorgfältigen Fahrer verlangt werden, dass er an Kreuzungen mit einem Mindestmaß an Konzentration heranfährt, das es ihm ermöglicht, die Ampel wahrzunehmen und zu beachten. Die insoweit abweichende Auffassung des 24. Zivilsenates (OLG Frankfurt VersR 2001, 1276) teilt der Senat nicht.
Verkehrsverstöße beruhen i.d.R. auf einem „Augenblicksversagen”, das insofern jede Form der unbewussten Fahrlässigkeit kennzeichnet, so dass es nachvollziehbar ist, dass nur das Vorliegen weiterer, besonderer Umstände den Schuldvorwurf herabzusetzen vermag (vgl. hierzu Römer, Das sog. Augenblicksversagen, VersR 1992, 1187). Bei der Feststellung der gesteigerten subjektiven Pflichtwidrigkeit steht dem Tatrichter ein erheblicher Spielraum zu. Zweifel an der gesteigerten subjektiven Vorwerfbarkeit gehen zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Versicherers (BGH VersR 1972, 944; Römer, Das sog. Augenblicksversagen, VersR 1992, 1187), so dass auch die insoweit geäußerte Kritik des 24. Zivilsenates, dass regelhaft aus dem Vorliegen eines objektiv schwerwiegenden Verstoßes auf eine auch subjektiv gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werde, nicht geteilt werden kann. Letztlich hat auch der 24. Zivilsenat in seiner Entscheidung nicht allein auf das Augenblicksversagen, sondern auf weitere besondere Umstände – nämlich die Ablenkung durch ein anderes Signal – abgestellt.
Abgesehen davon, dass danach ein Augenblicksversagen allein den Geschäftsführer der Klägerin ohnehin nicht entlasten kann, liegt ein solches kurzfristiges Versagen auch nicht vor. Der Geschäftsführer der Klägerin muss längere Zeit unaufmerksam gewesen sein, da er erst mit dem dritten aus der H.-Straße kommenden Fahrzeug zusammengestoßen ist. Die Klägerin verweist zwar darauf, dass die beiden vor der Zeugin H. fahrenden Fahrzeuge nach rechts abgebogen sind. Derjenige, der aufgrund einer grün zeigenden Ampel abbiegt, fährt jedoch anders als ein nicht vorfahrtsberechtigter Fahrer in eine Kreuzung ein, so dass das Fahrverhalten dieser Fahrzeuge für den Geschäftsführer der Klägerin ein Warnsignal hätte sein müssen, was er offensichtlich nicht wahrg...