Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Keine Ansprüche für im August 2016 erworbenen gebrauchten Audi mit angeblichem Motor EA897
Verfahrensgang
LG Kassel (Urteil vom 11.03.2021; Aktenzeichen 16 O 1262/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 11. März 2021 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das vorliegende Urteil und das erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 29.316,85 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes auf Rückabwicklung eines Kraftfahrzeugkaufvertrags in Anspruch.
Der Kläger kaufte mit "verbindlicher Bestellung" vom 19. August 2016 von einem gewerblichen Fahrzeughändler einen gebrauchten Audi A6 3.0 TDI mit einer Laufleistung von 44.517 km zum Preis von 37.600,00 Euro. Den Kaufpreis finanzierte er mit einem Darlehen der Bank1, wofür er Zinsen in Höhe von 1.713,22 Euro aufwendete.
Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten entwickelten und hergestellten Dieselmotor der Abgasnorm Euro 6 mit einem Hubraum von 3 Litern und einer Leistung von 160 kW (218 PS) ausgestattet. Der Kläger hat behauptet, dass es sich um einen Motor der Baureihe EA 897 handele. Nach dem Vortrag der Beklagten handelt es sich um einen Motor der Baureihe EA 896 Gen2.
Bei Motoren dieser Baureihen wird zur Verringerung der Stickoxidemissionen ein Teil des Abgases in das Ansaugsystem des Motors zurückgeführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Unterhalb und oberhalb bestimmter - zwischen den Parteien streitiger - Außentemperaturen wird diese Abgasrückführung herabgesetzt (Thermofenster).
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Mai 2020 warf der Kläger der Beklagten vor, ihn durch die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt zu haben. Er forderte die Beklagte unter Fristsetzung auf, "die Schadensersatzhaftung dem Grunde nach" anzuerkennen. Hierdurch sind dem Kläger Kosten in Höhe von 1.590,91 Euro entstanden.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung und wegen Betrugs zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie das Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet habe, nämlich einem Thermofenster und einer nur im Prüfstandslauf aktiven Aufheizstrategie. Dem Vorstand der Beklagten seien diese Abschalteinrichtungen bekannt gewesen; sie hätten gewusst oder wissen müssen, dass sie unzulässig seien. Insoweit treffe die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast. Die Fahrzeughersteller Volkswagen, Daimler und BMW hätten vor Herstellung des Klägerfahrzeugs in verschwörerischer Weise vereinbart, Abgasreinigungssysteme nicht im technisch möglichen Umfang zu entwickeln, um sich später auf die angebliche Alternativlosigkeit des Thermofensters berufen zu können. Die Beklagte habe im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende oder unzureichende Angaben zur Abgasrückführung gemacht, was auf ein vorsätzlich sittenwidriges Verhalten schließen lasse. Dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sei die genaue Wirkungsweise des Thermofensters nicht bekannt gewesen. Durch den Abschluss des für ihn ungünstigen und nicht gewollten Gebrauchtwagenkaufvertrags habe er einen Schaden erlitten. Dieser sei durch Rückgängigmachung des Vertrags zu kompensieren.
Erstinstanzlich hat der Kläger in erster Linie Rückzahlung des von ihm entrichteten Kaufpreises sowie der Darlehenszinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs verlangt. Außerdem hat er Erstattung verschiedener Aufwendungen für die Fahrzeugnutzung in Höhe von insgesamt 11.346,00 Euro begehrt. Hilfsweise hat er einen Minderwert in Höhe von 7.520,00 Euro geltend gemacht. Außerdem hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.590,91 Euro beantragt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat die Auffassung vertreten, das Thermofenster stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar, weil es zum Motorschutz technisch erforderlich sei. Eine Aufheizstrategie komme in dem Fahrzeug des Klägers nicht zum Einsatz. Für Fahrzeuge dieses Typs sei kein emissionsbedingter Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt angeordnet worden. Zwischenzeitlich habe das Kraftfahrt-Bundesamt den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung untersucht und nach mehrmonatiger Prüfung mitgeteilt, dass es keinen emissionsbezogenen Rückrufbescheid erlassen werde; dies ist vom Kläger nicht best...