Entscheidungsstichwort (Thema)
HWS-Schleudertrauma
Leitsatz (amtlich)
1. Ein unfallbedingtes HWS-Schleudertrauma kann auch bei einer Geschwindigkeitsänderung von weniger als 10 km/h nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
2. Zur Beweiskraft eines Attests hinsichtlich des Vorliegens einer Primärverletzung
Normenkette
BGB § 253; StVG §§ 7, 17; ZPO §§ 286-288
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-07 O 53/05) |
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfallgeschehen in Anspruch.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des LG Frankfurt/M. vom 12.10.2006 Bezug genommen.
Das LG hat die Beklagte mit Urteil vom 12.10.2006 zur Zahlung von Verzugszinsen i.H.v. 45,55 EUR sowie eines Schmerzensgeldes i.H.v. 500 EUR verurteilt, die Klage im Übrigen jedoch abgewiesen. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass die Klägerin nicht bewiesen habe, dass die von ihr nunmehr noch geltend gemachten Arzt- und Arzneimittelkosten auf das Unfallgeschehen am ... 2004 in der ... Straße in O1 zurückzuführen seien. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 sei unfallbedingt allenfalls eine traumatische lumbale Wurzelirritation festzustellen, die jedoch die hier im Streit befindlichen Arzt- und Arzneimittelkosten, die erst acht Wochen nach dem Unfallgeschehen entstanden seien, nicht rechtfertigen könne.
Gegen das ihr am 2.11.2006 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 14.11.2006 eingelegten und am 21.12.2006 begründeten Berufung, mit der sie ihre ursprünglich gestellten Klageanträge in voller Höhe weiter verfolgt.
Sie rügt, dass das LG sich nicht mit den Feststellungen des eingeholten orthopädischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. SV2 auseinandergesetzt habe, der eine leichte Halswirbelzerrung sowie eine Zerrung der oberen Brustwirbelsäuleweichteile als unfallbedingt erkannt habe.
Auch habe das LG im Rahmen seiner Beweiswürdigung nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Klägerin vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei. Eine bei ihr eventuell gegebene besondere Schadensdisposition falle in den Risikobereich des Schädigers.
Der einmal festgestellte Kausalzusammenhang zwischen dem Verkehrsunfall und bestimmten Beschwerden entfalle nicht wieder durch bloßen Zeitablauf, sondern nur durch den dem Schädiger obliegenden Nachweis, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt eine überholende Kausalität eingetreten sei.
Zwar habe der Sachverständige Dr. SV2 aufgezeigt, dass die Behandlung der von ihm erkannten unfallbedingten Verletzungen innerhalb von acht Wochen nach dem Unfall hätte abgeschlossen sein müssen. Das Risiko einer fehlerhaften bzw. zu langwierigen Behandlung sei jedoch nicht von ihr - der Klägerin - sondern vom Schädiger zu tragen. Für eventuelle Fehlleistungen des Arztes könne nicht sie als Geschädigte in die Pflicht genommen werden.
Der Senat hat ergänzend Beweis erhoben durch mündliche Anhörung beider Sachverständigen Dr. SV2 und Prof. Dr. SV1.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat die Berufung weitgehend Erfolg und führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte ist der Klägerin zur Zahlung eines Schadensersatzes i.H.v. insgesamt 7.014,83 EUR und eines Schmerzensgeldes i.H.v. insgesamt 1.250 EUR gemäß den §§ 7, 17 StVG, 253 BGB, 3 Abs. 1 Pflichtversicherungsgesetz verpflichtet.
Die grundsätzliche Alleinhaftung der Beklagten für den von ihrem Versicherungsnehmer verursachten Auffahrunfall am 25.2.2004, 16.00 Uhr, in der ... Straße in O1, der Klägerin entstandenen Schaden ist zwischen beiden Parteien unstreitig. Dementsprechend sind neben dem von der Klägerin geltend gemachten Sachschaden an dem Pkw A auch die Arztrechnungen des Dr. B vom 1.4.2004 über 1.252,54 EUR sowie vom 3.5.2004 über 907,72 EUR, die Rechnung des Prof. Dr. C vom 11.3.2004 über 119,37 EUR und Apothekenrechnungen i.H.v. 129,92 EUR einvernehmlich in voller Höhe von der Beklagten reguliert worden.
Die Beklagte hat über den bereits durch das landgerichtliche Urteil vom 12.10.2006 zuerkannten Betrag von 45,55 EUR hinaus der Klägerin aber auch die Arzt- und Apothekenaufwendungen für die Zeit von Mai bis September 2004 i.H.v. insgesamt 6.969,28 EUR zu erstatten. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur hinreichenden Überzeugung des Senats fest, dass auch die ärztlichen Behandlungen der Klägerin ab Mai 2004 durch den am ... 2004 erlitten Verkehrsunfall verursacht wurden.
Beim Ausgleich für angeblich unfallbedingte Verletzungen ist zwischen dem Nachweis, dass der Unfall zu einer Primärverletzung und damit zu einer Körperverletzung der Klägerin geführt hat (haftungsbegründende Kausalität) und der Ermittlung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Haftungsgrund und den weiter eingetretenen Schäden (haftungsausfüllende Kausalität) zu unterscheiden. Der Nachweis des Haftungsgrundes unterliegt den strengen A...