Leitsatz (amtlich)
1. Zwischen dem vom Käufer beauftragten Gutachter und dem Grundstücksverkäufer besteht keine Gesamtschuldnerschaft ggü. dem Grundstückskäufer.
2. Auch bei einer entgeltlichen, aber gleichwohl noch als Gefälligkeitsvertrag zu wertenden Immobilienbewertung kann die Haftung des Gutachters konkludent auf den Haftungsmaßstab der diligentia quam in suis beschränkt sein.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 11.03.2005; Aktenzeichen 10 O 657/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11.3.2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des LG Darmstadt abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Zwangsvollstreckung der Kosten wegen durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 15 % hieraus abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 15 % hieraus leistet.
Gründe
I. Im Zusammenhang mit dem Erwerb eines bebauten und in M. gelegenen Grundstücks traten die Kläger an den ihnen bekannten Beklagten, der von Beruf Architekt ist, heran. Unter dem 22.6.2001 gab der Beklagte ggü. dem Kläger zu 2) eine schriftliche "Stellungnahme zum Verkehrswert" ab (Bl. 38 ff. d.A.), auf welche Bezug genommen wird. Die "Stellungnahme" schließt mit der Aussage "empfohlener Verkehrswert rund 1.600.000 DM" (entspricht 818.067,01 EUR). Für die "mündliche Beauftragung" berechnete der Beklagte dem Kläger zu 2) für seine beratende Tätigkeit vereinbarungsgemäß 950 DM netto pauschal, zzgl. 6 % Nebenkosten 57 DM, mithin netto pauschal 1.007 DM zzgl. 16 % Mehrwertsteuer i.H.v. 161,12 DM, insgesamt also 1.168,12 DM (Bl. 45 d.A.).
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 4.7.2001 (Bl. 24 ff. d.A.) erwarben die Kläger das Immobilienobjekt zu einem Kaufpreis von 1.450.000 DM, wobei 100.000 DM auf das mitverkaufte Inventar entfielen.
Im Jahre 2004 beauftragten die Kläger den öffentlich bestellten Bausachverständigen E. mit der Verkehrswertermittlung des Grundstücks zum Stichtag 1.7.2001. Dieser erstattete sein "Gutachten über den Verkehrswert (i.S.d. § 194 Baugesetzbuch)" unter dem 24.4.2004, auf welches ebenfalls Bezug genommen wird. Der Gutachter E. ermittelte einen Verkehrswert des Anwesens von 483.000 EUR
Mit Anwaltsschreiben vom 8.11.2004 (Bl. 117 d.A.) ließen die Kläger den Beklagten auffordern, an sie 207.841,29 EUR Schadensersatz zu leisten. Diesem Ansinnen trat der Beklagte entgegen. Mit bei Gericht am 30.12.2004 eingegangenem Schriftsatz haben die Kläger die streitgegenständliche Schadensersatzklage erhoben.
Mit am 11.3.2005 verkündetem Urteil (Bl. 171 ff. d.A.), auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat der Einzelrichter der 10. Zivilkammer des LG Darmstadt den Beklagten zur Zahlung von 251.768,77 EUR nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Klägern als Gesamtgläubigern allen weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem fehlerhaften Gutachten des Beklagten "Stellungnahme zum Verkehrswert Liegenschaft 1-Familienwohnhaus - Am Jungstück M. vom 22.6.2001 noch entsteht, insb. auch die weiteren Zinsschäden aus dem Darlehen Eurohypo Nr. ... ab dem 30.12.2004 zu 100 %, Darlehen Nr. ... ab dem 31.12.2004 zu 100 % und Darlehen Eurohypo Nr. ... ab dem 31.12.2004 zu 1,33 %. Zur Begründung hat das LG im Wesentlichen ausgeführt, zwischen dem Kläger zu 2) (im Urteil fälschlicherweise als Kläger zu 1) bezeichnet) und dem Beklagten sei ein Vertrag zustande gekommen, der die Ermittlung des Verkehrswertes des Grundstückes zum Inhalt gehabt habe. Die Klägerin zu 1) (im Urteil fälschlicherweise als Klägerin zu 2) bezeichnet) sei in den Schutzbereich dieses Vertrages einbezogen worden, weil die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen seien, dass die Ermittlung des Verkehrswertes im Interesse beider Kläger erfolgen sollte, da beide Kläger gemeinsam sich mit der Absicht getragen hätten, das hier in Frage stehende Grundstück für sich zu erwerben, und das Gutachten des Beklagten als Entscheidungsgrundlage für die Kläger dienen sollte. Das Wertgutachten des Beklagten sei objektiv falsch, was die Kläger schlüssig dargelegt hätten und der Beklagte hiergegen nichts Erhebliches vorgebracht hätte. Die Mängel habe der Beklagte zu vertreten. Die Fehlerhaftigkeit seines Gutachtens sei kausal für den geltend gemachten Schaden der Kläger. Die Grundstücksverkäufer hätten zwar zu dem wirklichen Verkehrswert ihr Grundstück nicht verkauft mit der Folge, dass die Kläger dieses Grundstück nicht haben würden. Die Kläger hätten indessen dann aber auch nicht die klageweise geltend gemachten, durch den Wert des Grundstückes nicht kompensierten Vermögensnachteile erlitten. Die beklagtenseits erhobene Verjährungseinrede sei nicht durchgreifend, da die dreißigjährige Verjährungsfrist des alten Rechts zunächst Platz gegriffen habe. Die Kläger berühmten sich eines...