Entscheidungsstichwort (Thema)

Dieselskandal: Keine Deliktshaftung bei VW Dieselmotor EA288

 

Normenkette

BGB § 826

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 31.08.2020; Aktenzeichen 13 O 88/20)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. August 2020 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt, Aktenzeichen 13 O 88/20, abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungsstreitwert wird auf bis zu 22.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger fordert von der Beklagten Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten "Diesel-Abgasskandal".

er Kläger kaufte am 16.01.2017 in einem Autohaus in Stadt1 den neuen PKW Skoda Octavia Style 2.0 TDI mit 150 PS zu einem Kaufpreis von 24.230 EUR. In dem PKW verbaut ist der von der Beklagten hergestellte Dieselmotor EA288 Euro 6. Er ist mit einem Thermofenster ausgestattet, ferner unter anderem mit einer Abgasrückführung (AGR), einer Abgasnachbehandlung durch streckenbasierte Regeneration des NOx-Speicherkatalysators (NSK) und einer Fahrkurvenerkennung.

Für den streitgegenständlichen PKW gab es keinen amtlichen Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes. Ein Software-Update wurde nicht aufgespielt.

Der Kläger legte erstinstanzlich ein Dokument als Anlage K3 vor, das mit "Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgabe EA288" überschrieben ist. Es handelt sich um ein internes Dokument der Beklagten vom 19.10.2015.

Der Kläger hat den PKW beim Tachostand 0 km erhalten. Am Schluss der mündlichen Verhandlung des Landgerichts betrug die Laufleistung 49.978 km. Einen Tag vor der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts betrug die Laufleistung 73.276 km.

Der Kläger fordert von der Beklagten Schadensersatz gem. § 826 BGB durch Kaufpreiserstattung abzüglich Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW. Er behauptet, in der Motor-Software seines PKW sei eine Prüfstandserkennung eingebaut, die für den Prüfstand in einen sauberen Modus umschalte, während die Stickoxidwerte auf der Straße um das 3- bis 5-fache des gesetzlichen Grenzwerts von 80 mg/km überschritten würden. Damit liege eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 EG Verordnung 715/2007 vor. Das Thermofenster stelle eine weitere unzulässige Abschalteinrichtung dar. Der Kläger meint, die Beklagte habe vorsätzlich sittenwidrig im Sinne der §§ 826, 31 BGB gehandelt.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 24.230,00 nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozent seit dem 17.01.2017 bis 19.02.2020 und seither fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 3.460,00 EUR Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 20.02.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet;

3. Die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 1.899,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2020 zu zahlen.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verwahrt sich gegen den Vorwurf vorsätzlich sittenwidrigen Handelns. Es gebe hier keine unzulässige Abschalteinrichtung wie beim Vorgängermodell EA189. Sie verweist darauf, dass das Kraftfahrtbundesamt den streitgegenständlichen Motor EA288 mehrfach überprüfte und keine unzulässige Abschalteinrichtung fand. Sie behauptet, der Klägervortrag zur Anlage K3 belege nichts. Dies sei keine zusammenhängende Präsentation, sondern ein zusammengewürfeltes Dokument, das sich teilweise auf den Motor EA189 beziehe, nicht den Motor EA288. Sie bestreitet das Vorliegen einer Umschaltlogik wie beim Motor EA189. Das Emissionskontrollsystem des Motors EA288 arbeite identisch auf Straße und Prüfstand.

Das Landgericht hat im angegriffenen Urteil vom 31. August 2020 (Bl. 572-586 d.A.) in der Fassung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses vom 20. Oktober 2020 (Bl. 571a-571b d.A.) die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz an den Kläger in Höhe von 20.770,- EUR nebst Prozesszinsen verurteilt (Urteilstenor Bl. 537 d.A.). Das Landgericht entschied, die Klage sei zulässig und weitgehend begründet (Entscheidungsgründe Bl. 576-586 d.A.). Der Kläger habe aus §§ 826, 249 ff., 31 BGB Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung abzüglich Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW. Es befand, die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten liege im Verwenden der Software zur Stickoxidausstoß-Optimierung und dem Inverkehrbringen von Dieselmotoren unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung. Im hiesigen Fall sei der Klägervortrag zur Softwareprogrammierung im Motor EA288 gem. § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig, da die Beklagte den Klägervortrag zu dem Dokument Anlage K3 nicht...

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