Entscheidungsstichwort (Thema)

Architektenrecht: Ersatz von Aufwendungen für in Anspruch genommenes Vertrauen auf späteren Abschluss eines schriftlichen Architektenvertrags

 

Normenkette

GemO HE § 71 Abs. 2; BGB §§ 31, 89

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 07.01.2011)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 17. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 7.1.2011 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 99.457,65 EUR nebst 5 %-Punkten über dem Basiszins seit dem 20.7.2009 zu zahlen.

Mit Ausnahme der Kosten des Streithelfers werden die Kosten der ersten Instanz gegeneinander aufgehoben.

Die Kosten der zweiten Instanz trägt die Beklagte.

Von den Kosten des Streithelfers in erster Instanz trägt der Kläger die Hälfte; die übrigen Kosten des Streithelfers erster und zweiter Instanz trägt dieser selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert zweiter Instanz beträgt 99.457,65 EUR.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt mit seiner Berufung nur noch Aufwendungsersatz für von ihm erbrachte Architektenleistungen. Das LG hat diese und die in erster Instanz noch geltend gemachten Honorarforderungen abgewiesen.

Hintergrund ist eine 1 1/2 -jährige Tätigkeit des Klägers, nämlich Grundlagenermittlung und Vorplanung für acht Einzelprojekte. Diesbezüglich hatte der Streithelfer als Bürgermeister mit dem Kläger zahlreiche Gespräche geführt, worauf der Kläger mit entsprechender Leistungserbringung gemäß anliegender Leitzordner reagierte. Eine Genehmigung der städtischen Gremien erfolgte nicht.

Der Kläger hatte während der Gespräche eine schriftliche Fixierung der Auftragserteilung und die Frage nach seiner Honorierung angesprochen. Zu einer schriftlichen Beauftragung kam es nicht. In der Folge hatte der Streithelfer jedoch immer neue Anregungen und Planungswünsche an den Kläger herangetragen, die der Kläger entsprechend der anliegenden Leitzordner abarbeitete.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 192.918,88 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2008 zu zahlen.

Die Beklagte und der Streithelfer haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, wegen der Zeugeneinvernahme auf die dortigen Protokolle und wegen der vom LG angestellten Überlegungen auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung.

Beide Parteien wiederholen und vertiefen in zweiter Instanz ihren in erster Instanz gehaltenen Vortrag, soweit es um den noch in Rede stehenden Aufwendungsersatz geht.

Der Kläger verweist diesbezüglich insbesondere auf die Rechtsprechung des BGH und das Ergebnis der Beweisaufnahme. Er nimmt Bezug auf seine Berechnung des Vertrauensschadens in erster Instanz (GA 177).

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung zu verurteilen, wie erkannt.

Die Beklagte und der Streithelfer beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Beklagte und Streithelfer stellen das Vorliegen jedwelchen Architektenvertrages in Frage und verneinen einen diesbezüglichen Rechtsbindungswillen der Beklagten. Entsprechend wird die Beweisaufnahme vor dem LG gewürdigt. Die streitgegenständlichen Stadtverordnetenbeschlüsse bevollmächtigten den Magistrat und nicht den Bürgermeister als Teil desselben. In Abrede stellen sie auch das Vorliegen von Vertragsverhandlungen überhaupt und eines Rechtsscheines für einen Vertragsschluss. Schließlich wird eine Vertrauensgrundlage für den Kläger, eine Pflichtverletzung des Streithelfers und ein Verschulden bestritten. Im Übrigen treffe den Kläger ein Mitverschulden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Klägers in Person und des ersten Stadtrates A. Auf das Protokoll vom 27.4.2012 wird Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg, wie sich in erster Linie aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz ergibt, auf die Bezug genommen wird. Danach ist offensichtlich, dass der Kläger mit Wissen und Wollen des Streithelfers für die Beklagte tätig geworden ist, (vgl. die Aussagen C, D, E, G auf GA 301, 309, 316, 387).

In der 1 ½ -jährigen Tätigkeit des Klägers auf Initiative und Veranlassung des Streithelfers ist ein Architektenvertrag zu sehen. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Architekten nicht - jedenfalls nicht im hier streitgegenständlichen Umfange - unentgeltlich tätig werden. Dem steht die Aussage B (GA 391) nicht entgegen, da dieser von den Gesprächen des Streithelfers mit dem Kläger nicht notwendig Kenntnis hatte.

Auch liegt in der erheblichen Tätigkeit des Klägers keine kostenlose "Akquiseleistung", da der Kläger ...

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