„Die Hemmnisse liegen in den Köpfen“
Das Büro für Nachhaltigkeit ist Teil der Augsburger Stadtverwaltung und ihres Nachhaltigkeitsprozesses. Woran lässt sich Nachhaltigkeitsarbeit messen?
Wir stehen als deutsche Stadt auf der Seite, die ökologisch über ihrem Budget lebt, sozial gut ausgestattet ist und wirtschaftlich von Ausbeutung profitiert. Nachhaltigkeit wollen wir daher ganzheitlich betrachten. Jeder hat seine Aufgaben.
Die Stärke der Stadtverwaltung ist die Neutralität, also die Verpflichtung zum Gemeinwohl. Wir haben keine eigenen oder fremden Interessen.
Unsere Nachhaltigkeitsziele sind schon 1998 entstanden, 2014 wurden daraus die Zukunftsleitlinien, die alle sechs Jahre überprüft und vom Stadtrat beschlossen werden. Daran beteiligen sich auch andere Akteurinnen und Akteure aus der Stadt. Es gehört einiges dazu, dass sich eine Stadt, die finanziell nicht auf Rosen gebettet ist, eine eigene Stelle für nachhaltige Entwicklung leistet.
Wie soll die Stadt Augsburg also zukunftsfähig werden?
Das Leitbild ist die kooperative Stadt. Auf der einen Seite ist die Strategie der Politik und Verwaltung, auf der anderen Seite das Engagement der Stadtgesellschaft. Weil unsere Nachhaltigkeitsarbeit eigentlich Bottom-up war, gibt es ein Fundament von Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und anderen. Diese Akteure zu unterstützen, das geht nur auf Augenhöhe, mit Transparenz und Mitbestimmung. Schon vor den Sustainable Development Goals verfolgten wir den Ansatz mit den Dimensionen Ökologie, Soziales, Wirtschaft. Diese erweiterten wir um die Dimension Kultur mit den Zukunftsleitlinien Kunst, Werte, Vielfalt, Beteiligung und Selbstbewusstsein. Jede Dimension hat fünf Zukunftsleitlinien mit konkreten Zielen und Indikatoren. Eigentlich wissen wir, was zu tun ist. Die Hemmnisse liegen in den Köpfen. Starke Nachhaltigkeit mit kulturellem Rahmen, damit können wir jedem seinen Beitrag klar machen.
Das Büro für Nachhaltigkeit: Hüter der Zukunftsleitlinien
Wie können wir uns Ihre Arbeit mit Behörden und Gremien der Stadt vorstellen?
Wir sehen uns nicht als Behörde, nicht als Dienstleister, sondern als Partner. Wir sind der Knotenpunkt zur Entwicklung und Umsetzung der Strategie. Es gibt dreißig zivilgesellschaftlich getragene Arbeitsgruppen, die Agenda-Foren. Im monatlichen Agenda-Team tauschen wir uns aus und verteilen gemeinsam die Ressourcen. Dafür stehen dreißigtausend Euro Sachmittel zur Verfügung. Gruppen können nur dann zum Agenda-Forum werden, wenn sie aktiv zu Zielen wie dem Klimaschutz oder der ökologischen Mobilität beitragen. Außerdem sind wir die Geschäftsstelle des Nachhaltigkeitsbeirats, dessen Mitglieder vom Stadtrat berufen werden. Der Nachhaltigkeitsbeirat spricht Empfehlungen an den Stadtrat aus und wirkt als Katalysator.
Was bedeutet die Zusammenarbeit für die beteiligten Stellen?
Wir sind die Hüter der Zukunftsleitlinien. Unser Hauptinstrument ist seit 2018 die Nachhaltigkeitseinschätzung, die theoretisch an jede Beschlussvorlage angefügt wird. Etwa die Hälfte der Beschlüsse haben so etwas. Die Kollegen in der Stadtverwaltung, die Beschlüsse fassen, übernehmen das. Sie können damit einschätzen, ob ihre Projekte einzelne Ziele fördern oder hemmen.
Die öffentliche Verwaltung wird stark dabei beobachtet, wie effizient sie ihre geringen Ressourcen einsetzt.
Des Weiteren können uns Menschen bei Fragen telefonisch erreichen. Wir werden auch bei Projekten eingebunden. Alle sechs Jahre wiederum erstellen wir den Nachhaltigkeitsbericht, dessen Indikatoren wir daraufhin prüfen, ob sie zu Augsburg passen.
Klimaschutz oder Resilienz: Fortbildungen in der Verwaltung
Wie begleiten und unterstützen Sie Mitarbeitende beim nachhaltigen Arbeiten?
Jedes Halbjahr gibt es in der Stadtakademie zwei bis vier unterschiedliche Angebote. Die Akademie ist in vielen Handlungsfeldern im Bereich Nachhaltigkeit engagiert, dabei geht es auch um die Resilienz von Mitarbeitenden. In den letzten Jahren schuf sie immer mehr Angebote zu Themen wie Klimaschutz, den zukunftsfähigen Handlungsfeldern der Stadt. Der größte Teil der Referentinnen und Referenten kommt von außerhalb, aber ein Teil stammt auch aus der eigenen Belegschaft. Abseits davon bietet das Kompetenzzentrum nachhaltige Beschaffung des Innenministeriums einmal im Jahr eine Online-Fortbildung für die städtischen Stellen an.
Welche weiteren nachhaltigen Angebote und Projekte gibt es bei der Stadt Augsburg?
Einmal im Jahr können sich Initiativen und Institutionen mit Nachhaltigkeitsaktivitäten für den Zukunftspreis bewerben. Wer den Preis erhält, entscheidet eine Jury aus dem Nachhaltigkeitsbeirat und den Stadtratsfraktionen. Im Nachhaltigkeitsportal „Lifeguide Augsburg“ kann man sich über alltägliche Fragen wie nachhaltiges Einkaufen informieren. Beim Blue City-Klimaschutzprogramm ermittelten wir ein CO2-Budget von 9,7 Millionen Tonnen. Manche Faktoren wie den bundesweiten Strommix können wir als Kommune aber nicht beeinflussen. Bei diesen Rechnungen merkten wir, dass wir selbst unter Anstrengung nur zwanzig Millionen Tonnen CO2 schaffen. Dieses Denken kam aus der Gesellschaft. Zum Beispiel forderte das Fridays-for-Future-Klimacamp in Augsburg ein Budget, woraufhin ein Klimabeirat eingerichtet wurde. Darüber hinaus gilt es zu klären, wer vom Gewerbe über die Stadtverwaltung hin zur breiten Öffentlichkeit nun was tun muss.
Wer tritt üblicherweise mit seinen Ideen an Sie heran?
Das sind nicht nur die Dienststellenleitungen, sondern auch engagierte Mitarbeitende. Vom Kulturamt, mit dem wir viel zusammenarbeiteten, beteiligte sich die Leitung an der Zielformulierung, aber auch einzelne Mitarbeitende brachten sich ein. Zum Umgang mit der Nachhaltigkeitseinschätzung bieten wir außerdem Schulungen an.
Mitarbeitenden wird bewusst, dass sie nachhaltige Überlegungen schon während eines Prozesses anstrengen können. Nicht erst am Ende, wenn die Beschlussvorlage steht.
Öffentlicher Dienst zwischen Recruiting und Kommunikation
Wo liegen Ihre größten Herausforderungen in Sachen Nachhaltigkeit?
Erstens mangelt es an finanziellen und an personellen Ressourcen. Wir brauchen Ingenieurinnen und Ingenieure, die den Umbau des Straßenraums hin zum Radverkehr bewältigen. Gleichzeitig ist für Radwege schnell viel Geld ausgegeben. Zweitens wollen wir Wählerinnen und Wählern verdeutlichen, dass nachhaltige Entwicklung bedeutet, Prioritäten zu setzen. So dass auch politische Kräfte in der Stadt Entscheidungen treffen. Wir müssen einen Wohlstand schaffen, der uns zufriedener und glücklicher macht, und der zulässt, dass sich andere fair und frei entwickeln können.
Weitermachen wie bisher geht nicht. Diese Umorientierung können wir nur schrittweise und gemeinsam begreiflich machen.
Drittens arbeitet eine Stadtverwaltung für das Gemeinwohl. Bei den Mitarbeitenden steht Geld nicht im Vordergrund. Zwar ist die Verwaltung manchmal noch ein Dienstleister, eigentlich ist sie aber ein Partner, mit dem man Ziele erreicht. Das wollen wir nach außen vermitteln. Die kooperative Stadt macht uns in der Gesellschaft wieder attraktiv.
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