Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen für das Entstehen einer Zusatzgebühr nach VV RVG Nr. 1010, insbesondere zu der Frage, ob der Formulierung "besonders umfangreiche Beweisaufnahme" eine eigenständige Bedeutung zukommt.
2. Der unterbevollmächtigte Terminsvertreter hat eine Einigungsgebühr nach VV RVG Nr. 1000, 1003 verdient, wenn er im Termin an der Verhandlung, Formulierung und Protokollierung eines Vergleichs mitgewirkt hat, der zwar zunächst widerrufen, später aber unter Mitwirkung des Hauptbevollmächtigten letztlich doch noch wortgleich abgeschlossen wurde.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 331 O 113/19) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 14.09.2022, Az. 331 O 113/19, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beklagten wenden sich gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss, soweit dort für die Tätigkeit des klägerischen Terminsvertreters eine Zusatzgebühr nach VV RVG Nr. 1010 und eine Einigungsgebühr nach VV RVG Nr. 1000, 1003 beim Kostenausgleich berücksichtigt sind.
Die in D. ansässige Klägerin mandatierte ihren ebenfalls in D. ansässigen Prozessbevollmächtigten, um vor dem Landgericht Hamburg Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten geltend zu machen. Die vier Verhandlungstermine vor dem Landgericht Hamburg nahm ein von ihr mandatierter ortsansässiger Terminsvertreter wahr.
Ein erster Verhandlungstermin fand nach einem schriftlichen Vorverfahren am 11.03.2020 statt. Nachfolgend boten die Beklagten an, im Vergleichswege 25 % des geltend gemachten Schadens zu regulieren.
In einem zweiten, umfangreichen Termin am 08.01.2021 wurde der Beklagte zu 2) ausführlich angehört und ein erster Zeuge vernommen. Sodann schlossen die Parteien im Termin einen Widerrufsvergleich, der im Wesentlichen dem Angebot der Beklagten folgte, 25 % des geltend gemachten Schadens zu regulieren. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin widerrief nachfolgend den Vergleich.
Im dritten Termin am 30.06.2021 und im vierten Termin am 11.02.2022 wurde jeweils ein weiterer Zeuge vernommen. Im vierten Termin wies das Gericht sodann darauf hin, dass nunmehr ein Sachverständigengutachten erforderlich sei, und regte an, den in der Verhandlung am 08.01.2021 geschlossenen Vergleich erneut abzuschließen.
Nach Zustimmung beider Parteien protokollierte das Landgericht am 03.08.2022 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO wortgleich den ursprünglich bereits am 08.01.2021 geschlossenen Vergleich.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat das Landgericht bei den auf Seiten der Klägerin auszugleichenden Anwaltskosten auf Basis der Rechnung des Terminsvertreters vom 12.08.2022 u.a. eine Zusatzgebühr nach VV RVG Nr. 1010 für den Terminsvertreter sowie jeweils eine Einigungsgebühr nach VV RVG Nr. 1000, 1003 für den Hauptbevollmächtigten und für den Terminsverteter berücksichtigt.
Mit ihrer Beschwerde wenden die Beklagten ein, dass die Zusatzgebühr nach VV RVG Nr. 1010 nicht entstanden sei, weil die Voraussetzung einer besonders umfangreichen Beweisaufnahme nicht vorliege. Zudem sei für den Terminsvertreter keine Einigungsgebühr nach VV RVG Nr. 1000, 1003 entstanden, weil der in der mündlichen Verhandlung unter Mitwirkung des Terminvertreters geschlossene Vergleich widerrufen worden und die wesentlich spätere vergleichsweise Einigung sodann schriftlich und ohne Mitwirkung des Terminsvertreters zustande gekommen sei.
Die Klägerin entgegnet, dass eine "besonders umfangreiche Beweisaufnahme" keine eigenständige Tatbestandsvoraussetzung von VV RVG Nr. 1010 sei, dass ein besonderer Umfang in Anbetracht der langen Verfahrensdauer und von vier Gerichtsterminen aber jedenfalls zu bejahen sei. Für die Mitwirkung des Terminsvertreters an der Einigung reiche es aus, dass die Parteien letzten Endes einen Vergleich mit genau dem Inhalt geschlossen hätten, wie er zuvor unter Mitwirkung des Terminsvertreters am 08.01.2021 als Widerrufsvergleich verhandelt und protokolliert worden sei.
II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige Beschwerde der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht nach §§ 91 Abs. 2 Satz 1, 103, 104, 106 ZPO auch eine jeweils durch die Tätigkeit des klägerischen Terminsvertreters ausgelöste Zusatzgebühr nach VV RVG Nr. 1010 und Einigungsgebühr nach VV RVG Nr. 1000, 1003 zum Kostenausgleich angesetzt.
1. Es steht für die Parteien zunächst außer Streit und entspricht der gefestigten Rechtsprechung, dass die auswärtige Klägerin als Maßnahme der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung vorliegend einen an ihrem Geschäftssitz ansässigen Hauptbevollmächtigten mit ihrer Vertretung beauftragen durfte und dass auch die Kosten ihres unterbevollmächtigten Terminsvertreters, der die Vertretung in den mündlichen Verhandlungen übernommen hat, notwendige Kosten der Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO darstellen, weil und soweit die Kosten des Terminsvertreters vorliegend die ersparten, grundsätzlich erstatt...