Leitsatz (amtlich)

1. Erstinstanzlichen Beschlüssen nach dem FamFG kommt nicht die Beweiskraft des § 314 S. 1 ZPO zu. Sie unterliegen daher keiner Tatbestandsberichtigung entsprechend § 320 ZPO.

2. Der Verfahrenswert im Erbscheinverfahren richtet sich nach dem Wert des gesamten Nachlasses unabhängig davon, welchen Anteil der Antragsteller hiervon für sich in Anspruch nimmt.

3. Sich widersprechende Erbscheinanträge führen nicht zu einer Verdoppelung des Verfahrenswertes.

4. Zur Auslegung eines Testaments, mit dem die Erblasserin einem Tierpark ihr Vermögen vermacht, wenn hierfür als Begünstigter sowohl die Betriebsgesellschaft des Tierparks als auch eine von dieser unabhängige Stiftung in Betracht kommt.

 

Normenkette

FamFG; ZPO § 314 S. 1, § 320

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Beschluss vom 01.11.2019; Aktenzeichen 72-76 VI 3699/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg - Nachlassgericht - vom 01.11.2019 (Az.: 72-76 VI 3699/18) wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte zu 3) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 643.487,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 2) und 3) streiten um die Frage, wer von ihnen testamentarische Alleinerbin der Erblasserin geworden ist.

Die ledige und kinderlose Erblasserin hatte ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte sie in Hamburg. Sie verstarb am 18.9.2018. Von der Erblasserin wurden zwei handschriftliche Testamente erstellt. Eines datierte sie auf den 13.01.2006 und versah es mit dem handschriftlichen Vermerk "ungültig!". Ein weiteres handschriftliches Testament der Erblasserin trägt das Datum 08.11.2015. In diesem Testament listete sie insgesamt acht Verwandte auf, die "je 50.000 EUR erben sollen". Ferner verfügte sie wörtlich:

"Der nach Auszahlung dieser Legate verbleibende Rest meines Vermögens soll dem Tierpark H... zugutekommen. Sollte einer der oben genannten Erben zum Zeitpunkt meines Todes nicht mehr am Leben sein, erhöht sich damit der Anteil des Tierparks H...."

Das Testament enthält ferner die Einsetzung des Beteiligten zu 1.) als Testamentsvollstrecker, worüber ihm das Nachlassgericht am 7.11.2018 ein Testamentsvollstreckerzeugnis ausstellte.

In der Freien und Hansestadt Hamburg existieren mehrere Einrichtungen und Gesellschaften, in deren Namen oder in deren Firma der Familienname "H..." auftaucht. Hierzu gehören unter anderem die Beteiligte zu 3), die unter dem Namen "Tierpark H... Gemeinnützige Gesellschaft mbH" firmiert und die den Tierpark H... betreibt sowie die Beteiligte zu 2), die unter dem Namen "Stiftung H..." auftritt.

Im März 2010 änderte die Beteiligte zu 2), die bis dahin unter der Bezeichnung "Stiftung-Tierpark-H..." auftrat, ihren Namen in "Stiftung H...". Neben der Namensänderung wurde in diesem Jahr auch eine Änderung der Stiftungssatzung beschlossen. Sah § 2 der Satzung bis zu diesem Zeitpunkt als Stiftungszweck "insbesondere eine enge Zusammenarbeit mit der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Tierpark H... Gemeinnützige Gesellschaft mbH" vor, verfolgt die Stiftung seit der Neufassung des § 2 Abs. 2 der Satzung nun neben vielen anderen Zwecken wie dem Tierschutz, der Tierzucht, dem Artenschutz, der Volksbildung, wissenschaftlichen Zwecken etc. auch eine Förderung der Beteiligten zu 3). Des Weiteren wurde im Jahr 2010 § 2 Abs. 2 g) in die Satzung der Beteiligten zu 2) eingefügt. § 2 Abs. 2 g) sieht vor, dass Mittel von nun an auch an andere unbeschränkt steuerbegünstigte Körperschaften des Privatrechts weitergegeben werden können. Seitdem erfolgt die Förderung des Tierparks H... auf freiwilliger Basis. Auch faktisch findet seit dem Jahr 2012 eine Förderung des Tierparks H... durch die Beteiligte zu 2) aus unterschiedlichen Gründen, zu denen unter anderem die drohende Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Beteiligten zu 3) zählt, nur noch eingeschränkt statt. Ferner wurde die projektbezogene Förderung des Tierparks H... von der Beteiligten zu 2) gänzlich eingestellt, da eine diesbezügliche Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten aufgrund von internen Familienstreitigkeiten derzeit nicht möglich ist. Gegenwärtig werden infolgedessen von der Beteiligten zu 2) ausschließlich Gelder für Futtermittel u.ä. bereitgestellt. Dies geschieht in der Form, dass die Beteiligte zu 2) Zahlungen an die Lieferanten der Beteiligten zu 3) leistet. Diejenigen monetären Mittel, die bei der Beteiligten zu 2) für eine projektbezogene Förderung des Tierparks H... vorgesehen sind, werden hingegen aktuell "zurückgehalten", bis eine projektbezogene Zusammenarbeit wieder möglich ist.

Zu Lebzeiten hatte die Erblasserin mehrfach persönlichen Kontakt zu der Beteiligten zu 2) und trat dort als langjährige Spenderin in Erscheinung. Spätestens seit dem Jahr 2007 erhielt sie von der Beteiligten zu 2) jährlich die sog. Ehrenanstecknadel für ihre finanzielle Förderung. Auf der Ehrenanstecknadel sind die jeweilige Jahreszah...

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