Leitsatz (amtlich)
§ 1747 BGB ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Ersetzung der Zustimmung eines Elternteils zur Adoption nur dann in Betracht kommt, wenn die Adoption einen so erheblichen Vorteil für das Kind bieten würde, dass ein sich verständig um sein Kind sorgender Elternteil nicht auf der Erhaltung des Verwandtschaftsbandes bestehen würde. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob ein gelebtes Eltern-Kind-Verhältnis besteht und, falls nein, ob der nicht zustimmende Elternteil dies durch sein Verhalten zu verantworten hat.
Verfahrensgang
AG Hamburg (Aktenzeichen 289 F 108/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Vaters wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 15.3.2021 abgeändert und der Antrag abgewiesen.
2. Kosten und Auslagen werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Ersetzung der Einwilligung des Vaters in die Adoption seines Kindes.
Das Kind wurde am 31.3.2017 in Hamburg geboren. Seine Eltern sind nicht miteinander verheiratet und haben keine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Die Mutter hat die kasachische, der Vater die türkische Staatsangehörigkeit. Das Kind ist kasachischer Staatsangehörigkeit. Sowohl die Mutter als auch der Vater konsumierten (jedenfalls) in der Vergangenheit Drogen, die Mutter insbesondere auch während der Schwangerschaft. Das Kind kam daher in einer Klinik als Frühgeburt zur Welt und musste unter anderem wegen eines Drogenentzugssyndroms nach der Geburt intensivmedizinisch behandelt werden.
Die Mutter verließ die Klinik direkt am Tage nach der Entbindung und besuchte ihr Kind lediglich im Monat April 2017 noch zweimal zur Nachtzeit in der Klinik. In der Folgezeit riss der Kontakt der Klinik aber auch des sodann eingeschalteten Jugendamtes mit der Mutter ab. Die Mutter ließ zwar über ihre Anwältin Anfang August 2017 dem Jugendamt noch eine Anschrift mitteilen. Über diese war sie aber in der Folgezeit für das Jugendamt nicht erreichbar. Der aktuelle Aufenthalt der Mutter ist nicht bekannt.
Aufgrund der Nichterreichbarkeit der Mutter wurde das Kind am 10.4.2017 vom Jugendamt in Obhut genommen. Mit Beschluss vom 25.4.2017 richtete das Familiengericht zunächst eine Amtspflegschaft ein, die sodann mit Beschluss vom 5.5.2017 in eine Amtsvormundschaft erweitert wurde. Am 19.5.2017 stellte der Amtsvormund bei der zuständigen Adoptionsvermittlungsstelle einen Antrag zur Adoptionsvermittlung. Das Kind wurde daraufhin am 21.7.2017 in Adoptionspflege gegeben und lebt seitdem bei seinen Adoptivpflegeeltern.
Der Vater setzte sich trotz Kenntnis von der Geburt nicht mit dem Jugendamt in Verbindung. Auch eine Anerkennung der Vaterschaft erfolgte zunächst nicht. Der Vater befand sich zum Zeitpunkt der Geburt u.a. wegen Drogendelikten seit Januar 2017 in Strafhaft. Mit Schreiben vom 14.9.2017 teilte die damalige Anwältin der Mutter dem Amtsvormund den Namen des Vaters und den Umstand mit, dass sich dieser derzeit in Strafhaft befinde. Mit Schreiben vom 20.11.2017 informierte der Amtsvormund den Vater darüber, dass er von der Mutter als Vater des Kindes benannt worden sei und beriet ihn bezüglich einer möglichen Vaterschaftsanerkennung. Der Vater, der sich weiterhin in der JVA aufhielt, antwortete mit Schreiben vom 24.11.2017, dass er die Vaterschaft des Kindes anerkennen wolle. Er erkannte seine Vaterschaft sodann am 18.1.2018 über den Rechtsantragsdienst in der JVA an. Da die Mutter in der Folgezeit der Vaterschaftsanerkennung nicht zustimmte, beantragte der Vater am 16.7.2018 beim Familiengericht die Feststellung seiner Vaterschaft. Weil der Mutter Schriftstücke im Abstammungsverfahren nicht zugestellt werden konnten, wurde die Vaterschaft erst nach Anordnung einer öffentlichen Zustellung am 11.11.2019 rechtskräftig.
Parallel zum Vaterschaftsfeststellungsverfahren beantragten die Adoptivpflegeeltern ihrerseits mit notariellem Antrag vom 7.9.2018 den Ausspruch der Adoption. Dieses Verfahren ist nach wie vor beim Amtsgericht Hamburg anhängig. Der Vater erteilte seine Einwilligung zur Adoption nicht.
Nachdem verschiedentliche Versuche, den Vater zur Einwilligung in die Adoption zu bewegen, gescheitert waren, beantragte der Amtsvormund beim Familiengericht im Juli 2020 die vorliegend verfahrensgegenständliche Ersetzung der Einwilligung des Vaters.
Der Vater seinerseits beantragte, nachdem außergerichtliche Verhandlungen über ein Umgangs- und Auskunftsrecht mit dem Amtsvormund gescheitert waren, im Juni 2020 beim Familiengericht, den Umgang gerichtlich zu regeln sowie ihm Auskunft nach § 1686 BGB zu erteilen. Beide Verfahren hat das Familiengericht jeweils mit Beschluss vom 27.8.2020 im Hinblick auf das laufende Adoptionsverfahren ausgesetzt.
Hinsichtlich des persönlichen Hintergrundes des Vaters gilt Folgendes:
Der Vater hat in der Vergangenheit in erheblichem Umfang Drogen konsumiert und ist mehrfach beginnen...