Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung einer etwaigen Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG bedarf es einer umfassenden Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, bei der die Ausnutzung bestimmter fristen ein wesentlicher Gesichtspunkt sein kann, aber nicht stets sein muss.
2. Bei einer massiven werblichen Gestaltung der Titelseite, die es dem Betrachter letztlich unmöglich macht, seinen Blick der streitgegenständlichen Bewerbung zu entziehen, kann der Rechtsschutz in Anspruch nehmende Mitbewerber im Einzelfall nicht mit dem Argument gehört werden, ihm seien diese Wettbewerbsverstöße nicht bei dem Erwerb des Heftes zur Kenntnis gelangt.
3. Entscheidend für die dringlichkeitsschädliche Kenntnis von der Werbung ist allein der Zeitpunkt, zu dem die maßgeblichen Tatsachen bekannt geworden sind. Unerheblich ist, ob hieraus auch bereits die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen worden sind.
4. Dringlichkeitsschädlich kann sein, nach Kenntnisnahme der Werbung über 6 Wochen untätig zu bleiben und erst nach eigener wettbewerbsrechtlichen Inanspruchnahme zum Aufbau einer Gegenposition einen Anwalt mit der rechtlichen Prüfung der Werbung zu beauftragen, die sodann ohne vorherige Abmahnung zur Einreichung eines Verfügungsantrages führt.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; UWG § 12 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Kempten (Beschluss vom 01.12.2006; Aktenzeichen 4 IE 784/06) |
LG Hamburg (Beschluss vom 24.05.2006; Aktenzeichen 327 O 356/06) |
Tenor
1. Die Kosten des Rechtsstreites trägt der Antragssteller.
2. Der Streitwert der Berufung wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragssteller ist der Insolvenzverwalter der P.P. Ltd., der früheren Antragstellerin. Über deren Vermögen wurde mit Beschluss des AG Kempten vom 1.12.2006 (4 IE 784/06) das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet und der Antragsteller zum Insolvenzverwalter ernannt. Dieser führt das ursprünglich von der P.P. Ltd. eingeleitete Verfahren fort.
Die Gemeinschuldnerin handelt mit Computersoftware und betreibt ein Verlagsgeschäft. Im Mai und Juni 2006 brachte sie erstmalig die Zeitschrift "C.K." auf den Markt. Nachdem ihr durch ein von der Antragsgegnerin angestrengtes Verfügungsverfahren vor dem LG Köln (Az: 33 O 187/06) die Verwendung des Titels "C.K." einstweilen untersagt worden war, vertreibt sie die Zeitschrift nunmehr unter dem Titel "P.F.".
Die Antragsgegnerin ist ebenfalls im Handel mit Computersoftware tätig. Sie bietet ihr Produktsortiment überwiegend über den Einzelhandel an und betreibt darüber hinaus noch einen Internet-Shop. Sie gibt zudem eine Zeitschrift mit dem Titel "C.M. f. d. P." heraus. Der Ausgabe Mai/Juni 2006 war eine CD beigefügt, die ein umfangreiches Softwareangebot beinhaltete. Die Antragsgegnerin bewarb die sich auf dieser CD befindlichen Programme auf dem Zeitschriftencover mit dem Hinweis auf verschiedene Testergebnisse, ohne jedoch bereits auf dem Cover selbst in allen Fällen auch die entsprechenden konkreten Fundstellen angegeben zu haben. Diese befanden sich teilweise im Inneren des Heftes. Darüber hinaus wurde hier auch mit einer Kaufempfehlung für ein Produkt geworben - wobei die entsprechende Fundstellenangabe zwar vorhanden, aber drucktechnisch sehr klein gehalten war. Die Antragsgegnerin vertreibt weiter in ihrem Internetshop die "5 Sterne Spielesammlung". Auf der Verpackung dieses Spiels befindet sich dabei ein Hinweis "Computer Bild Preis-Leistungs-Sieger", ohne dabei die Fundstelle anzugeben. Zudem ist die Antragsgegnerin Herausgeberin der "Sudoku Fun-Box". Auf diesem Spiel ist eine Kaufempfehlung der Zeitschrift "Computer Magazin für die Praxis" abgedruckt, ebenfalls ohne die genaue Fundstelle anzugeben. Diese Aufmachung war Gegenstand eines Verfügungsantrages gegen eine Firma N. KG vom 24.5.2006 (Anlage AG 9). Auf der Internetseite www.mybestgames.de bewirbt die Antragsgegnerin ohne nähere Angaben das Computerspiel "Mahjongg-Die Spiele- und Rätselbox" mit einem Hinweis auf eine Kaufempfehlung aus ihrer Zeitschrift "C.M. f. d. P.".
Die Gemeinschuldnerin beanstandete mit dem Verfügungsantrag das Fehlen sowie die schlechte Lesbarkeit der konkreten Fundstellenangaben im Bezug auf die beworbenen Testergebnisse und die Kaufempfehlung in der Zeitschrift der Antragsgegnerin sowie bezüglich der Spielesammlung. Hinsichtlich der Sudoku Fun-Box und das Mahjongg- Computerspiel beanstandete sie das Fehlen der Fundstellenangabe erst im späteren Widerspruchsverfahren. Diesbezüglich wird auf die Schriftsätze der Gemeinschuldnerin vom 1. und 2.8.2006 verwiesen.
Das LG Hamburg hat am 24.5.2006 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin erlassen, mit der dieser unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Computersoftware unter Hinweis auf Empfehlungen oder Testergebnisse aus Zeitschriften anzupreisen, ohne hierbei das Erscheinungsdatum der Zeitschrift anzugeben, in der das beworbene Produkt derart empfohlen und/o...