Leitsatz (amtlich)
1. Ein vereinbartes Honorar ist keine Geschäftsgebühr i.S.v. Ziffer 2300 ff VV RVG. Deshalb scheidet im Falle einer wirksamen Honorarvereinbarung die Anrechnung einer (fiktiven) Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nach Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG aus (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - III ZB 13/14 -, Rn. 12, juris).
2. Wird der Rechtsstreit durch Vergleich beendet, so unterliegt der Grundsatz der Nichtanrechenbarkeit nach Maßgabe von Treu und Glauben bei missbräuchlicher Umgehung der Anrechnungsbestimmungen einer Einschränkung, nämlich dann, wenn die Parteien eine einvernehmliche Kostenregelung auf der Grundlage getroffen haben, dass außerprozessual eine anrechenbare Geschäftsgebühr angefallen und keine Honorarvereinbarung getroffen worden sei. Dann kann sich der Erstattungsgläubiger nicht nachträglich erst im Kostenfestsetzungsverfahren zu Lasten des Erstattungsschuldners darauf berufen, dass wegen einer Honorarvereinbarung die Anrechnung der Geschäftsgebühr unterbleiben müsse (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - III ZB 13/14 -, Rn. 13, juris).
3. Ein solches missbräuchliche Umgehung der Anrechnungsbestimmungen folgt aber nicht allein daraus, dass der Erstattungsgläubiger vorgerichtlich und im Ausgangsverfahren seine außergerichtlichen Kosten nach Maßgabe der gesetzlichen Gebühren berechnet und geltend gemacht hat.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 312 O 332/21) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Beklagten zu 1) bis 3) und der Beklagten zu 4) und 5) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 18.04.2023, Az. 312 O 332/21, werden jeweils auf Kosten der beschwerdeführenden Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO jeweils zulässigen Beschwerden der Beklagten zu 1) bis 3) vom 03.05.2023 und der Beklagten zu 4) und 5) vom 28.04.2023 haben in der Sache keinen Erfolg.
1. Nachdem die Parteien einen - dem Gericht hinsichtlich seiner Genese und seines Inhalts im Detail nicht offenbarten - außergerichtlichen Vergleich mit Kostenübernahmeerklärung der Beklagten geschlossen und den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben und das Landgericht die Kosten entsprechend den Beklagten auferlegt hat, hat das Landgericht zu Recht bei der Kostenfestsetzung nach §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 103, 104 ZPO keine anteilige Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gemäß Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG vorgenommen.
a) Denn eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr gemäß Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG kommt nicht in Betracht, wenn im Verhältnis zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr i.S.v. Nr. 2300-2303 VV RVG entstanden ist, sondern die Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung getroffen hat. In einem solchen Fall findet die Vergütung ihre Rechtsgrundlage in der Vergütungsvereinbarung und nicht in den Vorschriften des VV RVG. Das vereinbarte Honorar ist keine Geschäftsgebühr in diesem Sinne; die Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr scheidet aus (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - III ZB 13/14 -, Rn. 12; vom 18. August 2009 - VIII ZB 17/09 -, Rn. 6, jeweils zitiert nach juris; HansOLG, Beschluss vom 16.12.2014 - 8 W 131/14 - Rpfleger 2015, 304).
Ungeachtet der streitigen Höhe des außergerichtlichen Zeithonoraranspruchs der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Klägerin steht daher bereits die Vergütungsvereinbarung als Rechtsgrundlage dieser Honorarforderung dem Entstehen einer anrechenbaren Geschäftsgebühr entgegen.
b) Wird der Rechtsstreit durch Vergleich beendet, so unterliegt der Grundsatz der Nichtanrechenbarkeit nach Maßgabe von Treu und Glauben allenfalls bei missbräuchlicher Umgehung der Anrechnungsbestimmungen einer Einschränkung, nämlich dann, wenn die Parteien ihre einvernehmliche Kostenregelung auf der Grundlage getroffen haben, dass außerprozessual eine anrechenbare Geschäftsgebühr angefallen und keine Honorarvereinbarung getroffen worden sei. In einem solchen Fall kann sich die erstattungsberechtigte Partei nicht erst nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren darauf berufen, sie habe in Wirklichkeit mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Honorarvereinbarung getroffen, so dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr unterbleiben müsse (BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2014 - III ZB 13/14 -, Rn. 13, juris; Hansens, ZfSch 2015, 238; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Auflage, § 15a Rn. 85).
Ein solches rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Klägerin ist vorliegend aber nicht ersichtlich.
Den vorgerichtlichen Anspruchsschreiben (vgl. insbesondere Anlagen K 13 und K 17) und der Klageschrift vom 29.12.2021 ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin ausdrücklich oder konkludent eine Honorarvereinbarung verneint und das Entstehen einer gesetzlichen Geschäftsgebühr behauptet hätte. Vielmehr wird dort die Frage einer etwaigen Honorarvereinbarung überhaupt nicht thematisiert. Die au...