Leitsatz (amtlich)
1. Eine Änderung einer gerichtlich gebilligten Umgangsregelung aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründe ist erst dann angezeigt, wenn die Änderung "geboten" ist, weil die für eine Änderung sprechenden Umstände die Nachteile einer solchen Änderung "deutlich überwiegen" (vgl. BeckOGK BGB/Mehrle, Stand 1.11.2018, § 1696 Rn. 73). Ziel dieser Einschränkung der Abänderungsmöglichkeit ist es auch, Kinder vor fortwährenden Gerichtsverfahren zu schützen.
2. Es ist weder gewollt noch praktisch realisierbar, dass sämtliche gerichtlichen Umgangsregelungen, die einmal getroffen wurden, bis zur Volljährigkeit des Kindes permanent nach § 1696 Abs. 1 BGB abgeändert werden. Vielmehr sollen die Eltern grundsätzlich erforderliche Anpassungen der Umgangsregelung einvernehmlich selbst vornehmen.
3. Ein Umgang, den der Berechtigte nicht einfordert, kann nicht vereitelt werden (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 21. Juli 2018, 7 WF 881/17, FamRZ 2018, 595, juris Rn. 19).
Normenkette
BGB § 1696 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hamburg-Harburg (Beschluss vom 08.07.2020; Aktenzeichen 637 F 84/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg - Harburg vom 8. Juli 2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin verfolgt im Beschwerdeverfahren ihren Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsabänderungsverfahren erster Instanz weiter.
Die Beteiligten sind geschiedene Ehegatten. Aus der Ehe sind der 6-jährige K. und der 4-jährige A. hervorgegangen. Zwischen ihnen sind und waren zahlreiche Umgangs- und Sorgerechtsverfahren anhängig.
Zuletzt einigten sich die Eltern am 2. Januar 2020 in einem Umgangsvermittlungsverfahren darauf, dass der Antragsgegner einen Wochenendumgang alle zwei Monate mit seinen Söhnen und jeden Sonntag einen Videotelefonkontakt wahrnimmt. Die gerichtliche Vereinbarung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Januar 2020 gebilligt. Es erfolgte weiter ein Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung. Der Umgang wurde durch den Vater bisher nicht umgesetzt.
Unter dem 29. Juni 2020 beantragte die Antragstellerin die Umgangsvereinbarung vom 2. Januar 2020 aufzuheben. Sie bereite die beiden Söhne auf die möglichen Umgänge regelmäßig vor, die jedoch nie stattfänden. Es sei für die beiden Söhne sehr schwer nachzuvollziehen, dass es eine wirksame Umgangsregelung gebe und ihr Vater diese Möglichkeiten nicht nutze. Sie seien mittlerweile schwer enttäuscht und wollten den Kindesvater derzeit auch nicht sehen. Die Antragstellerin wolle nicht, dass die beiden Söhne weiterhin durch eine nicht umgesetzte Umgangsregelung enttäuscht würden. Dazu möchte sie nicht eventuellen Ordnungsmittelanträgen des Antragsgegners ausgesetzt sein. Sie wünsche sich für ihre Söhne weiterhin eine stabile Beziehung und regelmäßige Umgänge mit dem Antragsgegner.
Das Familiengericht hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 8. Juli 2020 zurückgewiesen. Es bestehe kein Regelungsbedürfnis und die von der Antragstellerin erstrebte Aufhebung der getroffenen Umgangsvereinbarung sei als Regelung nicht vorgesehen. Die Umstände hätten sich nicht geändert und es sei keine Umgangsregelung ersichtlich, welche den Bedürfnissen und Gegebenheiten besser gerecht werden könne. Der Antragsgegner nehme den Umgang nicht wahr. Eine zwangsweise Durchsetzung sei von der Mutter nicht gewollt und mache keinen Sinn. Da der Antragsgegner den Umgang nicht wahrnehme stehe auch nicht zu befürchten, dass der Vater im Falle eines Sinneswandels mit einem Ordnungsmittelantrag reagiere. Dies sei ihm verwehrt, da er sich selbst nicht an die Umgangsregelung halte.
Gegen die Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie beantragt nunmehr, den Umgang anderweitig zu regeln. Die Existenz der Umgangsregelung löse bei den Kindern Erwartungen aus, die enttäuscht würden. Die Situation sei für die Kinder und die Antragstellerin belastend. Sie benötigten Planungssicherheit. Es sei für die Kinder leichter, wenn die Umgänge entweder seltener stattfänden oder für einen bestimmten Zeitraum ganz ausgesetzt würden. Zudem sei sehr wohl denkbar, dass der Antragsgegner plötzlich wieder auf Umgänge bestehe und die Antragstellerin mit einem Ordnungsmittelverfahren überziehe.
II. Die gemäß §§ 76 Abs. 1, 2 FamFG, 567ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die Antragstellerin verfolgt ihr Ziel einer Neuregelung des Umgangs nicht im Wege eines erneuten Umgangsvermittlungsverfahrens gemäß § 165 FamFG, sondern in einem Abänderungsverfahren gemäß §...