Leitsatz (amtlich)

I. Wird im Internet ein Tonträger angeboten, auf dem sich nach dem Inhalt des Angebots "Nr. 1 Hits" aus einer bestimmten Zeitperiode befinden sollen, so erwartet der angesprochene Verkehr mangels entgegenstehender Hinweise, dass alle auf dem Tonträger enthaltenen Musiktitel den Versionen entsprechen, die in der angegebenen Zeitperiode Platz 1 der Hitlisten erklommen haben.

II. Der Verkehr wird in die Irre geführt, wenn das Angebot nicht (hinreichend) erkennen lässt, dass einzelne auf dem Tonträger enthaltene Musiktitel als sog. Re-Recordings zu einem anderen Zeitpunkt und in einer anderen als der zum Zeitpunkt ihres großen Erfolges verbreiteten Version eingespielt worden sind.

III. Die infolge der Irreführung eintretende Beeinträchtigung ist spürbar i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG. Der Verkehr legt Wert darauf, dass er die Musiktitel gerade in der Original-/Version erhält, in der sich allein der besondere musikalische und emotionale Wert des ehemaligen Nr. 1 Hits widerspiegelt, und orientiert seine Kaufentscheidung daran. Die Wertschätzung, die der Verkehr den ihm vertrauten Versionen der Erfolgstitel entgegenbringt, ist dabei von der künstlerischen oder technischen Qualität der Aufnahme unabhängig.

IV. Ein Internethändler haftet für ein eigenes irreführendes Angebot und missachtet dabei die fachliche bzw. berufliche Sorgfalt auch dann, wenn sein Geschäftsmodell darauf angelegt ist, Ware in großen Mengen ausschließlich im Internet anzubieten und für das Warenangebot und dessen Bewerbung allein auf ihm vom Hersteller oder einem kommerziellen Datenlieferanten zur Verfügung gestellte Informationen zurückzugreifen, ohne die Ware selbst einer gesonderten Überprüfung unterzogen zu haben.

 

Normenkette

UWG §§ 3, 5, 5a, 8 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 30.03.2010; Aktenzeichen 312 O 368/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Hamburg vom 30.3.2010, Zivilkammer 12, Az.: 312 O 368/09, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr die CD-Box "40#1hits THE SIXTIES" in einer Aufmachung anzubieten und zu vertreiben, wie sich das aus der mit diesem Urteil in Kopie verbundenen Anlage A ergibt, soweit sich darauf Titel befinden, die in den 60iger Jahren in den Hitlisten platziert waren, aber in der auf den CDs befindlichen Versionen seinerzeit nicht Platz 1 der Hitlisten erklommen haben, wenn das Online-Angebot der Beklagten im Internet wie aus der mit diesem Urteil ersichtlichen Anlage B ohne Hinweis darauf erfolgt, dass auf dem Tonträger auch Re-Recordings enthalten sind.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen den Parteien je zur Hälfte zur Last.

Der Wert der Berufung beträgt EUR 20.000,00.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Unterlassung des Angebots und Vertriebs einer von der Beklagten im Internet angebotenen und von ihr vertriebenen CD-Box, hilfsweise die Unterlassung des Angebots der CD-Box in einer konkreten in Bezug genommenen Weise.

Der Kläger ist ein 1953 gegründeter Verband zur Förderung gewerblicher Interessen. Zwischen den Parteien ist die Aktivlegitimation des Klägers umstritten. Die Beklagte bietet als großer Onlinehandel u.a. Tonträger an.

Die in Luxemburg ansässige Beklagte bot am 11.2.2009 im Internet unter der Angabe "The Sixties 40 Nr. 1 Songs [Doppel-CD]" (Anlage K 1) eine CD-Box mit 2 CDs für einen Verkaufspreis von EUR 7,99 an. Die CD-Box selbst enthält 2 CDs und ist betitelt mit "40#1 Hits The Sixties". Das Titelbild des CD Covers ist links neben der Artikelbeschreibung optisch gut erkennbar ausschließlich mit der Vorderseite abgebildet (Anlagen K 1 und K 3). Dort sind diverse Künstler abgebildet. Die Parteien streiten darüber, ob die Abbildungen aus den 60er Jahren stammen.

Im Mittelpunkt der abgebildeten CD-Box ist zentral und farblich von den Bildnissen der abgebildeten Künstler herausgestellt die Aufschrift "40#1 hits" zu erkennen; darunter befindet sich ebenfalls optisch sichtbar in großen Buchstaben der Zusatz "THE SIXTIES". Ebenfalls auf der Vorderseite der CD befindet sich ganz unten ein farblich herausgestellter Banner mit den Interpreten "Petula Clark/The Troggs/Eric Burdon/The Bee Gees/Donovan/Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich/and many others". Im Angebot der Beklagten fand sich eine Liste aller auf den beiden CD's enthaltenen 40 Titel (20 Titel je CD; Anlage K 3), jeweils ohne eine Angabe der Interpreten.

Die nicht im Internet-Angebot der Beklagten abgedruckte Rückseite der CD-Box weist die auf der Doppel-CD enthaltenen Titel nebst den Interpreten aus. Zudem fin...

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