Leitsatz (amtlich)
Das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs im Umfang einer das Charakteristische der Verletzungshandlung beschreibenden Verallgemeinerung ist zwar grundsätzlich möglich, scheidet aber jedenfalls dann aus, wenn der Schuldner eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung auf die konkrete Verletzungsform abgibt, deren Auslegung unmissverständlich ergibt, dass sie sich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen bezieht, so dass die auch auf solche Handlungen erstreckte Vermutung der Wiederholungsgefahr beseitigt worden ist.
Normenkette
UWG § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 09.03.2011; Aktenzeichen 315 O 426/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des LG Hamburg, Zivilkammer 15, vom 9.3.2011 - 315 O 426/10, abgeändert:
Die einstweilige Verfügung des LG Hamburg vom 11.11.2010 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Antragstellerin zur Last.
Gründe
A. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen der Bewerbung des verschreibungspflichtigen Arzneimittels "Oralair" außerhalb der Fachkreise auf Unterlassung in Anspruch.
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Vertriebs von Therapie-Allergenen.
Am 29.9.2010 war die Antragsgegnerin mit einem Messestand auf dem 13. Deutschen Lungentag, einer Gesundheitsmesse, die sich auch an Besucher außerhalb der Fachkreise richtete, vertreten. Dort bewarb sie ihr verschreibungspflichtiges Präparat "Oralair" mit dem aus Anlage ASt 2 ersichtlichen Poster, auf dem es neben dem "Oralair"-Logo hieß "Mehr als eine gute Grastablette".
Auf die Abmahnung der Antragstellerin vom 25.10.2010 gab die Antragsgegnerin unter dem 3.11.2010 eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, mit welcher sie sich strafbewehrt verpflichtete, es zu unterlassen, für das Arzneimittel "Oralair" mit einem Poster gegenüber dem Laienpublikum zu werben, auf dem neben dem "Oralair"-Logo der Satz "Mehr als eine Grastablette" wiedergegeben ist, wie auf dem der Erklärung beigefügten Foto dargestellt (Anlage ASt 4).
Die Antragstellerin hielt diese Unterlassungsverpflichtungserklärung für unzureichend und erwirkte die vorliegende einstweilige Verfügung des LG Hamburg vom 11.11.2010 - 315 O 426/10, mit welcher der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wurde, im Wettbewerb für das verschreibungspflichtige Arzneimittel "Oralair" außerhalb der Fachkreise des § 10 Abs. 1 HWG zu werben und/oder werben zu lassen.
Ausgenommen von diesem Verbot ist die Werbung für das verschreibungspflichtige Arzneimittel "Oralair", welche von der Unterlassungserklärung der Antragsgegnerin vom 3.11.2010 erfasst wird.
Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung verpflichtete sich die Antragsgegnerin am 6.12.2010 weiter strafbewehrt, es zu unterlassen, im Wettbewerb für das verschreibungspflichtige Arzneimittel "Oralair" außerhalb der Fachkreise des § 10 Abs. 1 HWG zu werben, wie auf dem Foto Anlage ASt 2 geschehen (Anlage AG 1).
Gegen die einstweilige Verfügung vom 11.11.2010 wendete sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch vom 2.2.2011.
Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass der Verbotsantrag schon nicht hinreichend bestimmt sei. Im Hinblick auf den Begriff der "Werbung" bestünden zahlreiche schwierige Abgrenzungsfragen im Rahmen des § 10 HWG. Die Antragstellerin habe nicht klargestellt, dass sich ihr Unterlassungsbegehren an der konkreten Verletzungshandlung orientiere.
Ferner fehle es an der Wiederholungsgefahr. Jedenfalls durch die zweite Unterlassungserklärung vom 6.12.2010 (Anlage AG 1) werde die Wiederholungsgefahr für den Unterlassungsanspruch ausgeräumt. Dieser bestehe nur für im Kern gleichartige Verstöße, nicht jedoch darüber hinaus. Genau diese im Kern gleichartigen Verstöße umfasse die abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung, denn sie beziehe sich ausdrücklich auf die konkrete Verletzungshandlung.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die einstweilige Verfügung vom 11.11.2010 aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt, die einstweilige Verfügung vom 11.11.2010 zu bestätigen.
Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, dass der Antrag hinreichend bestimmt sei. Die Regelung des § 10 HWG enthalte ein tatbestandlich sehr konkretes Verbot, aus dem die Antragsgegnerin ohne weiteres erkennen könne, was ihr verboten worden sei.
Die Antragstellerin habe zudem einen Anspruch auf das beantragte, über die konkrete Verletzungsform hinausgehende verallgemeinerte Verbot. Es sei kein Fall denkbar, in dem eine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel gegenüber Laien zulässig sei. Die Unterlassungserklärung vom 3.11.2010 (Anlage ASt 4) lasse die Wiederholungsgefahr nicht entfallen, denn sie decke lediglich einen Teil des Unterlassungsanspruchs ab, nämlich die Werbung außerhalb der Fachkreise mit einem konkreten Werbeposter. Gleiches gelte hinsichtlich der Unterlassungserklärung vom 6.12.2010 (...