Leitsatz (amtlich)
Das in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV genannte Kriterium der "unmittelbaren Nähe" geht über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie 98/6/EG hinaus und ist deshalb vor dem Hintergrund der Vorrangregelung des Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG und angesichts der am 12. Juni 2013 ausgelaufenen Übergangsregelung in Art. 3 Abs. 5 Satz 1 UGP-Richtlinie 2005/29/EG a.F. richtlinienkonform dahin auszulegen, dass dieses Kriteriums nicht zu berücksichtigen ist.
Normenkette
PAngV § 2 Abs. 1 S. 1; EGRL 98/6; EGRL 2005/29; UWG §§ 3, 3a, 8 Abs. 1, 3 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 416 HKO 141/19) |
Tenor
1. Die einstweilige Verfügung vom 21. August 2019 des Landgerichts Hamburg, Az. 416 HKO 141/19 in Form des Urteils vom 6. November 2019 wird abgeändert und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, soweit der Verfügungsbeklagten aufgegeben worden ist, den Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) "in unmittelbarer Nähe" zum Gesamtpreis anzugeben.
2. Von den Kosten der ersten Instanz haben der Kläger 5/9 und die Beklagte 4/9 zu tragen. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob bei der Werbung für Waren auf einer Online-Handelsplattform der Grundpreis in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises anzugeben ist.
Der Verfügungskläger (nachfolgend; Kläger) ist ein eingetragener Verein, dessen Vereinszweck gemäß § 2 Abs. 2 seiner Satzung u.a. die Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler ist. Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) ist als gewerbliche Verkäuferin auf der Handelsplattform "Google Shopping" tätig.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. August 2019 beim Landgericht Hamburg, ZK 12, den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte beantragt und hierbei geltend gemacht, es fehle in mehreren Angeboten der Beklagten im Rahmen ihrer Google-Shopping-Präsentation an einer den gesetzlichen Regelungen entsprechenden Grundpreisangabe.
Nach teilweiser Antragsrücknahme bzgl. eines der Angebote hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 21. August 2019 antragsgemäß erlassen und der Beklagten Preiswerbungen untersagt, "für die nicht gleichzeitig der Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) und der Gesamtpreis jeweils unmissverständlich, klar erkennbar (in unmittelbarer Nähe) und gut lesbar angegeben werden."
Die Beklagte hat wegen des Klammerzusatzes "in unmittelbarer Nähe" Widerspruch erhoben und im Übrigen eine dem Beschluss entsprechende Abschlusserklärung abgegeben.
Nach Verweisung des Rechtsstreits an die Kammer für Handelssachen, KfH 16, hat diese die Verfügung im Umfang des Widerspruchs bestätigt. Zu den Einzelheiten wird auf das Urteil vom 6. November 2019 Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die am 15. November 2019 eingelegte und mit am 18. Dezember 2019 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Vorgabe in § 2 Abs. 1 PAngV müsse europarechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass das über die Preisangabenrichtlinie 98/6/EG hinausgehende Erfordernis der "unmittelbaren Nähe" entfalle.
Die Beklagte beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 21. August 2019 des Landgerichts Hamburg, Az. 416 HKO 141/19 in Form des Urteils vom 6. November 2019 abzuändern und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, soweit der Verfügungsbeklagten aufgegeben wird, den Preis je Mengeneinheit (Grundpreis) "in unmittelbarer Nähe" zum Gesamtpreis anzugeben.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Angaben des Grund- und Hauptpreises ohne den angegriffenen Zusatz nicht klar erkennbar i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Preisangabenrichtlinie 98/6/EG seien. Es sei nicht ersichtlich, wie ein optimaler Preisvergleich möglich sein solle, wenn nicht beide Preise von Verbraucherinnen und Verbrauchern "auf einen Blick" wahrgenommen werden könnten. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung müsse zudem die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen werden.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung nach § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Senat gemäß §§ 525, 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig und begründet.
1. Das angefochtene Urteil muss abgeändert und der Verfügungsantrag im Umfang des Widerspruchs zurückgewiesen werden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufnahme des streitigen Klammerzusatzes.
Der Senat geht mit der von der Beklagten angeführten Rechtsprechung des OLG Naumburg im Urteil vom 9. April 2015 (9 U 98/14, n.v.) davon aus, dass das in § 2 Abs. 1 Satz 1 PAngV genannte Kriterium der "unmittelbaren Nähe" über die Mindestanforderungen der Preisangabenrichtlinie 98/6/EG hinausgeht und deshalb die genannte Vorschrift vor dem Hintergrund der Vorrangregelung des Art. 3 Abs. 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG und angesichts der a...