Leitsatz (amtlich)
1. Werbung, die für den Fall des Kaufs von Produkten Werbegaben verspricht, ist auch dann als produktbezogen anzusehen, wenn die Werbung die Werbegaben als Teil eines Kundenbindungssystems (hier: PAYBACK) darstellt, an dem der Werbende beteiligt ist.
2. Die im Fall einer Publikumswerbung für preisgebundene Arzneimittel geltende Wertgrenze für eine geringwertige Kleinigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HWG in Höhe von 1,00 EUR ist nicht auf den Fall einer Publikumswerbung für nicht preisgebundene Heilmittel, insbesondere Medizinprodukte, zu übertragen. Wegen des in diesen Fällen bereits möglichen Preiswettbewerbs und der allgemeinen Preissteigerung ist eine gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG zu verhindernde Lenkungswirkung vielmehr erst bei einem Wert von mehr als 5,00 EUR zu befürchten.
Normenkette
HeilMWerbG § 7
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 12.05.2021; Aktenzeichen 312 O 306/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12.05.2021, Az. 312 O 306/19, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre)
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr für Hörgeräte damit zu werben, dass bei jedem Einkauf im Falle der Vorlage einer PAYBACK-Karte beim Bezahlen pro einem Euro Umsatz ein PAYBACK-Punkt gutgeschrieben wird,
und/oder
die Gutschrift dieser Punkte ankündigungsmäßig zu veranlassen,
jeweils soweit es sich dabei je Einkauf eines Produkts um PAYBACK-Punkte im Gesamtwert von mehr als 5,00 EUR handelt, die
a) in Sachprämien umgewandelt und eingelöst werden können
und/oder
b) in Einkaufsgutscheine bei anderen PAYBACK-Partnern umgewandelt und eingelöst werden können
und/oder
c) in Spenden umgewandelt werden können
und/oder
d) 1:1 in Miles & More-Prämienmeilen umgewandelt werden können,
wenn dies geschieht wie in Anlage I (Auszug von der Website www...) wiedergegeben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 299,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.10.2019 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 40 % und die Beklagte 60 % zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.500 EUR zuzüglich 110 % des aufgrund des Urteils für den Kläger vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung aus dem Tenor zu I. 1. Sicherheit in Höhe von 16.500 EUR und im Übrigen Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils für die Beklagte vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung und Ersatz einer Abmahnkostenpauschale geltend, weil die Beklagte damit warb, PAYBACK-Punkte gutzuschreiben.
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen.
Die Beklagte vertreibt in ihren Filialen in Deutschland Hörgeräte und sonstige Produkte für Hörbeeinträchtigte, wie beispielsweise Telefone, Mobiltelefone, Wecker, TV- und MP3-Zubehör, Kopfhörer, Sicherheitssysteme für Hörbeeinträchtigte, Hörgerätebatterien, Akkus und Ladegeräte, Fernbedienungen und Mikrofone für Hörgeräte, Reinigungs- und Pflegeprodukte für Hörgeräte, Ohrstöpsel und Gehörschutzprodukte. Dabei bietet sie keine selbst hergestellten Hörgeräte an, sondern vertreibt Hörgeräte von einer Vielzahl von Herstellern. Der Eigenanteil, den Kunden beim Erwerb eines Hörgeräts zahlen müssen, liegt regelmäßig zwischen 100 EUR und 4.500 EUR.
Die Beklagte kooperiert mit der PAYBACK GmbH, so dass Kunden, die eine PAYBACK-Karte besitzen und diese an der Kasse beim Bezahlen vorzeigen, pro einem Euro Umsatz einen PAYBACK-Punkt auf ihrem PAYBACK-Konto gutgeschrieben bekommen. Der Wert eines PAYBACK-Punkts beträgt 1 Cent, wobei der Kunde sich die gesammelten Punkte von PAYBACK bargeldlos auszahlen oder in Sachprämien, Gutscheine, Spenden oder Miles & More-Prämienmeilen umwandeln lassen kann. Damit warb die Beklagte am 19.09.2019 auf ihrer Internetseite wie aus Anlage I ersichtlich.
Wegen einer Fassung dieser Werbung mit Stand vom 27.07.2018 (Anlage K 4...