Leitsatz (amtlich)
1. Ein Linksabbieger darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass ein entgegenkommendes Fahrzeug, das auf einer mit dem Zeichen 297 Anlage 2 zu § 41 StVO gekennzeichneten Linksabbiegerspur fährt, seiner Verpflichtung entsprechend tatsächlich links abbiegen wird. Es besteht daher grundsätzlich keine Wartepflicht des Linksabbiegers gegenüber einem auf einer mit dem Zeichen 297 Anlage 2 zu § 41 StVO gekennzeichneten Linksabbiegerspur entgegenkommenden Fahrzeug.
2. Demjenigen, der ohne Not aus selbstsüchtigen Motiven gegen das durch Zeichen 297 Anlage 2 zu § 41 StVO angeordnete Fahrtrichtungsgebot verstößt, ist es als unzulässiger Selbstwiderspruch verwehrt, Ansprüche oder Einwendungen daraus herzuleiten, dass ein anderer mit seinem grob verkehrswidrigen Fahrweise nicht gerechnet hat.
Normenkette
StVO Zeichen 297 Anlage 2 zu § 41; StVO § 9 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 3 O 75/17) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen, da sie nach einstimmiger Ansicht im Senat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient.
Der Klägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen gegeben.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten Ersatz materieller Schäden aus einem Verkehrsunfall am 12.11.2015, bei dem das von dem Zeugen y gesteuerte Fahrzeug der Klägerin auf der Kreuzung N-Straße/E-Straße in H-O mit dem von der Beklagten zu 3. gesteuerten Fahrzeug, dessen Halter der Beklagte zu 2. und das bei der Beklagten zu1. haftpflichtversichert war, kollidierte.
Mit angefochtenem Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Essen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Klägerin im Rahmen der Haftungsverteilung nach §§ 17 Abs. 1 und 2 StVG ein weit überwiegendes Verschulden anzulasten sei. Zwar stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht fest, dass der Zeuge y unter Verstoß gegen § 37 StVO bei Rotlicht in die Kreuzung eingefahren sei. Der Klägerin sei jedoch ein schwerer Verstoß gegen § 1 StVO vorzuwerfen, weil der Zeuge y lediglich aus selbstsüchtigem Interesse auf die Linksabbiegerspur gewechselt sei, um den vor ihm langsam fahrenden LKW des Zeugen y2 überholen zu können. Die Fortsetzung der Fahrt in gerader Richtung im Kreuzungsbereich von der lediglich für den Linksabbiegerverkehr gewidmeten und freigegebenen Fahrbahn offenbare eine rücksichtslose Einstellung gegenüber den allgemeinen Regeln des Miteinanders im Straßenverkehr. Der Verstoß sei derart schwerwiegend, dass ein denkbarer Verstoß der Beklagten gegen § 9 Abs. 3 StVO dahinter zurücktrete. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 3. nicht damit habe rechnen müssen, dass das klägerische Fahrzeug unter Missachtung der geltenden Ge- und Verbote die Linksabbiegerspur zur Durchführung einer Geradeausfahrt missbrauchen würde.
Mit der Berufung begehrt die Klägerin die Abänderung des angefochtenen Urteils entsprechend ihrer erstinstanzlichen Anträge. Das Landgericht habe den Sachverhalt zutreffend festgestellt, sei jedoch rechtsirrig davon ausgegangen, dass dem Zeugen y ein derart schwerwiegender Verstoß gegen § 1 StVO vorzuwerfen sei, dass ein denkbarer Verstoß der Beklagten zu 3. gegen § 9 Abs. 3 StVO dahinter zurücktrete. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe ein Verstoß der Beklagten zu 3. gegen § 9 Abs. 3 StVO fest. Die Annahme des Landgerichts, dass sie zu Recht davon ausgegangen sei, dass ein ihre Fahrspur kreuzender Gegenverkehr nicht mehr drohte, widerspreche der herrschenden Rechtsprechung, wonach die Wartepflicht des Linksabbiegers auch gegenüber solchen Fahrzeugen des Gegenverkehrs bestehe, die verbotswidrig - etwa bei "spätem" gelb oder sogar rot - in den Kreuzungsbereich einfahren. Die Wartepflicht der Beklagten zu 3. sei insbesondere im Hinblick darauf zu bejahen, dass der Zeuge y die Haltelinie mit dem klägerischen Fahrzeug bereits überquert hatte, als die Beklagte mit dem Abbiegen begann. Selbst bei einer irreführenden Fahrweise des Geradeausfahrers komme lediglich eine Mithaftung in Betracht.
II. Nach § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere - der Klägerin günstigere - Entscheidung rechtfertigen. Beides zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Die Feststellungen und Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil sind vielmehr in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Ergebnis richtig.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfallereignisses keine E...