Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung nach Erledigung; billiges Ermessen; keine Einlassung der Beklagten im Prozesskostenhilfeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Kostenentscheidung gem. § 91a Abs. 1 ZPO kann es sich im Rahmen des billigen Ermessens zu Lasten der zunächst auf Mindestunterhalt in Anspruch genommenen Beklagten auswirken, wenn diese eine Einlassung zu einem Antrag der Kläger auf Prozesskostenhilfe für eine Stufenklage verweigert hatte.

 

Normenkette

ZPO § 91a Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Borken (Aktenzeichen 31 F 64/09)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden ebenfalls gegeneinander aufgehoben.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Der Beklagten wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin Q aus N ratenfreie Prozesskostenhilfe zur Abwehr der sofortigen Beschwerde bewilligt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist gem. § 91a Abs. 2 ZPO zulässig und in der Sache teilweise begründet. Denn gem. § 91a Abs. 1 ZPO erscheint es vorliegend gerechtfertigt, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Wie schon der Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck bringt, hat sich die Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung nicht ausschließlich nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache, sondern auch nach "billigem Ermessen" zu richten. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Beklagte, nachdem ihr der Prozesskostenhilfeantrag der Kläger zur Stellungnahme zugeleitet worden war, durch ihre vormaligen Rechtsanwälte mit Schriftsatz vom 25.6.2009 ausdrücklich vortragen ließ, dass eine Stellungnahme im Prozesskostenhilfeverfahren nicht beabsichtigt sei. Dies führte dazu, dass den Klägern ihrerseits Prozesskostenhilfe bewilligt wurde und die Stufenklage, mit der sie ihr Unterhaltsbegehren verfolgten, zugestellt werden konnte. Da vorliegend der Bedarf der Kläger (in Höhe des Mindestunterhalts) unproblematisch gegeben war und es somit allein Sache der Beklagten war, den Unterhaltsanspruch durch Vorbringen (und erforderlichenfalls Beweisantritt) zu ihrer Leistungsunfähigkeit zu Fall zu bringen, hat die Beklagte durch ihre Reaktion auf den Prozesskostenhilfeantrag den Klägern die Gelegenheit genommen, ihr eigenes prozessuales Verhalten unter Umständen - kostensparend - den zu erwartenden materiell-rechtlichen Einwendungen anzupassen. Selbst wenn die Kläger zu dieser Zeit etwa schon gewusst haben sollten, dass die Beklagte Leistungen nach SGB II bezieht, mussten sie nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der von ihnen erhobene Unterhaltsanspruch daran gänzlich scheitern würde; denn die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch sein tatsächliches Einkommen, sondern auch durch vorhandene, aber nicht ausgenutzte Erwerbsmöglichkeiten bestimmt. Die Beklagte war daher im eigenen Interesse gehalten, eine zum fraglichen Zeitpunkt schon vorhandene oder von ihr jedenfalls für wahrscheinlich gehaltene Erwerbsunfähigkeit in einem frühen Stadium des Verfahrens vorzutragen. Sollte die Beklagte seinerzeit indessen noch erwerbsfähig gewesen sein, wäre im Rahmen der Kriterien des § 91a Abs. 1 ZPO wiederum zugunsten der Kläger zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsanspruch dann zu Beginn des Verfahrens noch (in einem gewissen Umfang) bestanden hätte und erst durch eine später eingetretene Erwerbsunfähigkeit der Beklagten wieder entfallen wäre.

Vor dem Hintergrund der letztlich nicht gegebenen Erfolgsaussichten erscheint es daher aus Billigkeitsgründen angemessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Dass dies im Grunde auch von der Beklagten selbst so gesehen wurde, zeigt übrigens ihre frühere Bereitschaft, sich in diesem Sinne vergleichsweise zu einigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.

Die Prozesskostenhilfebewilligung folgt aus § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2768112

FuR 2012, 202

FuR 2013, 340

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