Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 19 O 14/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Essen (19 O 14/20) vom 07.07.2020 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Kläger.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.099,55 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Beschluss ergeht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.
Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss vom 05.01.2021 Bezug genommen.
Die hierzu erfolgte Stellungnahme des Klägers rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht, sondern gibt lediglich zu folgender ergänzenden Begründung Anlass:
Soweit der Kläger unter Verweis auf die "aktuelle Rechtsprechung in Dieselfällen" die Auffassung vertritt, das Vorbringen der Beklagten genüge nicht den bestehenden Substantiierungsanforderungen, greift dies ersichtlich nicht durch.
Die Entwicklung und der Einsatz eines Thermofensters reicht für sich genommen nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen. Das Verhalten der für den beklagten Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einem solchen Thermofenster ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn das Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren sein sollte und die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebte. Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit ist vielmehr nur dann gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (so auch Pressemitteilung des BGH, Beschl. v. 19.01.2021 - VI ZR 433/19).
Der Einsatz eines sogenannten Thermofensters ist nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem Urteil des BGH vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19; Motortyp EA189) zugrunde liegt. Dort hatte der Automobilhersteller die grundlegende strategische Frage, mit welchen Maßnahmen er auf die Einführung der - im Verhältnis zu dem zuvor geltenden Recht strengeren - Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm reagieren würde, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse dahingehend entschieden, von der Einhaltung dieser Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen und dem KBA stattdessen zwecks Erlangung der Typgenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass die von ihm hergestellten Dieselfahrzeuge die neu festgelegten Grenzwerte einhalten. Bei dem Einsatz eines Thermofensters wie im vorliegenden Fall fehlt es dagegen an einem derartigen arglistigen Vorgehen der Beklagten, das die Qualifikation ihres Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit wäre gegenüber der Beklagten nur gerechtfertigt, wenn zu dem - unterstellten - Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 - VI ZR 433/19).
Vorliegend hat der Kläger für ein derartiges Vorstellungsbild sprechende Anhaltspunkte, wie bereits im Beschluss vom 05.01.2021 dargelegt, nicht aufgezeigt. Soweit der Kläger nunmehr eine "echte Trendwende (...) seitens der Gerichte bei dem im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motortyp OM642" sieht und in diesem Zusammenhang auf einzelne landgerichtliche und oberlandgerichtliche Entscheidungen (zum Motortyp OM651) sowie die dort getroffenen Feststellungen verweist, ist dies offensichtlich nicht geeignet, den unzureichenden Vortrag bezüglich der vorgenannten Umstände zu ersetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 544 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Fundstellen
Dokument-Index HI14366529 |