Leitsatz (amtlich)
1. Eine unklare Verkehrslage liegt u.a. vor, wenn sich ein Fahrzeug - vorliegend ein Traktorgespann - zur Fahrbahnmitte einordnet und erkennbar die Geschwindigkeit reduziert. Allein das Überholen eines langsam fahrenden Traktorgespanns begründet hingegen nicht den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO.
2. Bei der Abwägung tritt die einfache Betriebsgefahr eines zulässig überholenden PKW hinter der durch einen unfallkausalen Verstoß des Fahrers gegen § 9 Abs. 1 StVO erhöhten Betriebsgefahr des Traktorgespanns zurück.
Normenkette
StVO § 5 III Nr. 1, § 9 I
Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 4 O 346/18) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen, da sie nach einstimmiger Ansicht im Senat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient.
Der Kläger erhält Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 18.197,92 Euro aus einem Verkehrsunfall, der sich am 19.05.2018 in M ereignet hat. Der Fahrer, der Zeuge E, des klägerischen Traktors der Marke G mit angehängtem Striegel wollte nach links in eine Straße zwischen zwei Feldern abbiegen. Der Beklagte zu 1) fuhr mit seinem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten PKW Q hinter dem klägerischen Fahrzeug und beabsichtigte, dieses zu überholen. Hierbei kam es zur Kollision.
1. Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes einschließlich der Anträge bis zum Abschluss der ersten Instanz gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Paderborn die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestehe kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten aus § 7 StVO, § 823 BGB, § 115 VVG, weil er allein zu 100% für den Unfall hafte. Für beide Unfallbeteiligten liege kein unabwendbares Ereignis vor. Die Abwägung der Verursachungsbeiträge führe zu einer alleinigen Haftung des Klägers.
Der Zeuge E habe gegen § 9 Abs. 1 StVO verstoßen. Zum einen spreche der Anscheinsbeweis gegen den Linksabbieger, zum anderen sei eine Verletzung der Rückschaupflicht aus § 9 Abs. 1 S. 4 StVO bewiesen. Die Aussage des Zeugen E zeige, dass er die zweite Rückschau schon vor dem Einordnen und nicht zwischen Einordnen und Abbiegen vorgenommen habe. Aus dem Sachverständigengutachten ergebe sich, dass der Zeuge E bei einer Rückschau unmittelbar vor Beginn des Abbiegevorgangs den PKW Q bereits auf der Gegenfahrbahn hätte sehen müssen und insofern erkennen können, dass ein Überholmanöver eingeleitet worden war. Die Geschwindigkeit des Traktors habe nicht, wie behauptet, nur 20 bis 25 km/h, sondern 30 bis 35 km/h betragen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei bei einer geringeren Geschwindigkeit des Traktors die Differenz der Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge so hoch, dass dies mit der Endposition des PKW Q technisch unvereinbar sei. Eine geringere Geschwindigkeit beider Fahrzeuge sei ebenfalls wegen der Endpositionen technisch nicht darstellbar.
Auf Seiten der Beklagten sei kein Überholen bei unklarer Verkehrslage gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO gegeben. Der Beklagte zu 1) habe die Strecke vor dem Traktor überschauen können. Ein rechtzeitiges Blinkersetzen des Traktorfahrers sei nicht bewiesen. Selbst wenn eine Sekunde vor Einleitung des Abbiegemanövers geblinkt worden sei, sei dies nicht rechtzeitig. Die Aussagen der Zeugen E und F und des Beklagten stimmten nicht überein und seien teilweise in sich widersprüchlich.
Im Rahmen der Abwägung trete die Betriebsgefahr des überholenden Fahrzeugs in der vorliegenden Konstellation grundsätzlich zurück, hier jedenfalls deshalb, weil der Traktor mit Anhänger (Striegel) wegen seiner Größe und Breite bereits an sich eine erhöhte Betriebsgefahr habe.
Dem Antrag des Klägers auf ergänzende Befragung des Sachverständigen sei nicht zu entsprechen gewesen, weil der Sachverständige bereits auf Nachfragen im Rahmen seines mündlichen Gutachtens dazu Stellung genommen habe, dass und warum sich die ermittelten Geschwindigkeiten aus physikalischen Zwängen ergeben.
2. Mit der Berufung begehrt der Kläger die Abänderung des angefochtenen Urteils mit dem Ziel der seinen Anträgen entsprechenden Verurteilung der Beklagten.
Das Landgericht habe zu Unrecht einen Verstoß des Beklagten zu 1) gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verneint. Der Q-Fahrer habe den rechtzeitig gesetzten Blinker übersehen. Der vermeintliche Widerspruch in der Aussage des Zeugen E sei mit Sprachschwierigkeiten im Termin, trotz der Dolmetscherin zu erklären. Der Traktor sei abgebremst und rechtzeitig der Blinker gesetzt worden. Auch aus dem Sachverständigengutachten er...