Leitsatz (amtlich)
Ein rechtliches Interesse i.S.v. § 485 Abs. 2 ZPO liegt nicht vor, wenn die Parteien kein Rechtsverhältnis verbindet, aus dem sich ein möglicher Amtshaftungsanspruch ergeben könnte, weil es (noch) kein Verwaltungshandeln des in Anspruch genommenen Kreises gegenüber der Antragstellerin gibt. Allein der Umstand, dass das Infektionsschutzrecht dem Kreis die rechtliche Grundlage für ein Verwaltungshandeln geben würde, begründet noch keine rechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien, aus denen sich Amtshaftungsansprüche der Antragstellerin ergeben könnten.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; IfSG § 20a; ZPO § 485 ff.
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 1 OH 2/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 07.03.2022 (1 OH 2/22) wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin, approbierte Psychologische Psychotherapeutin, unterhält in A eine Praxis für Psychologische Psychotherapie. Mit einem der Corona- Impfstoffe hat sich die Antragstellerin bislang nicht impfen lassen. Das für die Praxis zuständige Gesundheitsamt ist das des Antragsgegners.
Im Wege des selbständigen Beweisverfahrens begehrt die Antragstellerin die schriftliche, sachverständige Begutachtung zu den Fragen, die die Wirkungen der Impfung mit einem (näher bezeichneten) Corona-Impfstoff betreffen.
Dabei soll mit den Fragen Nrn. 1-3 geklärt werden, ob die Impfung "einer Person" mit den genannten Corona-Impfstoffen weder die "Wahrscheinlichkeit" einer Corona- Infektion noch der Übertragbarkeit des Krankheitserregers "sicher vermindert", wenn bei der geimpften Person bestimmte gesundheitliche Dispositionen (der Nachweis einer spezifischen T-Zell-Antwort gegen SARS-CoV-2 und/oder das Vorhandensein von IgG-Antikörpern gegen SARS-CoV-2) vorliegen. Durch die Frage Nr. 4 soll geklärt werden, ob die Impfung einer Person mit einem der Corona-Impfstoffe jedenfalls dann nicht als medizinisch indiziert in Betracht kommt, wenn in gesicherter Ermangelung absehbarer gesundheitlicher Vorteile für die geimpfte Person und/oder andere Personen, mit denen sie Kontakt hat oder haben könnte, einzig mögliche Nebenwirkungen der Impfung denkbar sind, die die Gesundheit der geimpften Person allenfalls negativ beeinflussen. Schließlich geht es der Antragstellerin in der Frage Nr. 5 um die Fragestellung, ob "sicher auszuschließen" ist, dass eine Impfung ihrer Person mit einem der Corona-Impfstoffe "in Ansehung von Myokarditis und Perikarditis als nachgewiesen einschlägig beobachteter Impfnebenwirkung bei Zustand nach einer über 32 Jahre andauernden kardialen Überbeanspruchung mit Vorhofflimmern durch Wolff-Parkinson-White-Syndrom das Risiko einer künftigen kardialen Fehlfunktion begründen konnte".
Das für die Antragstellerin zuständige Gesundheitsamt des Antragsgegners hat bislang keine Maßnahmen in Bezug auf die Berufstätigkeit der nicht geimpften Antragstellerin getroffen, solche auch nicht angekündigt und ist - außerhalb des vorliegenden Verfahrens - insoweit auch noch nicht kontaktiert worden. Im Verfahren hat der Antragsgegner bislang keine Stellungnahme abgegeben.
Zur Begründung ihres Antrags weist die Antragstellerin darauf hin, der Antragsgegner könne die Auffassung vertreten, dass ihre Praxis ein Fall des § 20a Abs. 1 Nr. 1 lit. g IfSG sei. Der Antragsgegner könne gem. § 20a Abs. 5 S. 2 IfSG an der Richtigkeit des ihr ausgestellten Kontraindikationsnachweises zweifeln und gem. § 20a Abs. 5 S. 2 IfSG nicht nur eine ärztliche Untersuchung anordnen, sondern gegen sie gem. § 20a Abs. 5 S.3 IfSG zugleich das - auch bei Widerspruch und Anfechtungsklage sofort vollziehbare - das Verbot verhängen, ihre Praxis zu betreten. Bis zu einer rechtskräftigen Klärung u. a. der Frage nach der inhaltlichen Richtigkeit des Kontraindikationsnachweises werde sie so gehindert, ihre Praxis zu betreiben. Erst nach einem prozessualem Beweis der Richtigkeit des Kontraindikationsnachweis wäre sodann zivilgerichtlich zu klären, welche aufopferungsrechtlichen, entschädigungsrechtlichen und amtshaftungsrechtlichen Ersatzansprüche ihr
zustünden. An der von ihr erstrebten Begutachtung außerhalb eines Rechtsstreits habe sie ein rechtliches Interesse, den immunologischen Gesundheitszustand ihrer Person durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen. Eine beweisrechtlich gesicherte Lage über das Bestehen einer infektionsrechtlichen Kontraindikation lasse bereits die Anordnung einer weiteren ärztlichen Untersuchung durch den Antragsgegner obsolet werden.
Mit Beschluss vom 07.03.2022 hat das Landgericht den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Für eine Anordnung gemäß § 485 Abs. 2 ZPO fehle ein rechtliches Interesse der Antragstellerin. Ihr Begehren sei mehrstufig hypothetisch, die Möglichkeit der Vermeidung eines Rechtsstreits hierdurch nicht ersichtlich. Das Ziel der Antragstellerin liege in einem Vorgreifen befü...