Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 26 U 21/18) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 10. Januar 2018 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bochum durch einstimmigen Beschluss ohne mündliche Verhandlung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Gründe
I. Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatbestandlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung sowie auf die Berufungsbegründung Bezug genommen. Im Übrigen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a ZPO von der Darstellung gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung ist nach übereinstimmender Überzeugung des Senats offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und bedarf zur Fortbildung des Rechts bzw. zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keiner Entscheidung des Senats, so dass eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO gerechtfertigt ist. Insoweit gebietet auch nicht der Grundsatz eines fairen Verfahrens eine erneute Verhandlung. Es ist nicht erkennbar, dass eine erneute mündliche Verhandlung weitere Erkenntnisse bringt, nachdem erstinstanzlich eine Anhörung erfolgt ist. Das Verfahren hat für den Kläger auch keine existenzielle Bedeutung.
Die Haftung der Beklagten aus §§ 7, 17 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG ist dem Grunde nach unstreitig. Indes kann der Kläger keinen Schadenersatz gemäß § 249 ff BGB auf Basis der Abrechnung der fiktiven Reparaturkosten verlangen.
Zwar kann ein Geschädigter, der sein Fahrzeug tatsächlich reparieren lässt, grundsätzlich auch vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist die Erstattung der konkret angefallenen Reparaturkosten verlangen, wenn diese den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen (BGH Urt. v. 05.12.2006 - VI ZR 77/06, VersR 2007, 372). Im Streitfall begehrt der Kläger jedoch nicht die Erstattung der konkreten Kosten einer tatsächlich durchgeführten Reparatur, sondern er will seinen Schaden fiktiv auf der Basis der vom Sachverständigen geschätzten Reparaturkosten berechnen. Diese Möglichkeit der Schadensabrechnung ist dem Kläger jedoch aus Rechtsgründen versagt.
Ein Unfallgeschädigter kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, die vom Sachverständigen geschätzten über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegenden Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts in der Regel nur dann fiktiv abrechnen, wenn er das Fahrzeug mindestens sechs Monate weiter nutzt und es zu diesem Zweck - falls erforderlich - verkehrssicher (teil-)reparieren lässt (vgl. BGH Urt. v. 23.11.2010 - VI ZR 35/10, VersR 2011, 28, BGH Urt. v. 29.04.2003 - VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395; BGH Urt. v. 23.05.2006 - VI ZR 192/05, BGHZ 168, 43; BGH Urt. v. 29.04.2008 - VI ZR 220/07, VersR 2008, 839). Im Streitfall sind die Voraussetzungen für eine fiktive Schadensabrechnung nicht erfüllt, da der Kläger das unfallgeschädigte Fahrzeug unstreitig bereits vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist im Juli 2017 weiterverkauft hat.
Die Ausführungen des Klägers zum sog. "Dieselskandal" geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung. Will der Kläger trotz Vorliegens von über dem Wiederbeschaffungsaufwand liegenden Reparaturkosten fiktiv abrechnen, hat er sein fortbestehendes Integritätsinteresse dadurch zu beweisen, dass er das Fahrzeug nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Unfall verkauft. Auch wenn der Kläger im Streitfall tatsächlich sein Diesel-Fahrzeug aus Sorge vor einem Wertverlust aufgrund verfehlter Emissionshöchstwerte verkauft haben sollte, ändert dies nichts daran, dass er mit dem Verkauf den Restwert des Fahrzeugs realisiert hat, so dass dieser nicht mehr lediglich einen hypothetischen Rechnungsposten darstellt. Dies hat zur Folge, dass der Kläger sich den Restwert auf den Wiederbeschaffungswert seines Fahrzeugs anrechnen lassen muss und ihm die fiktive Schadensabrechnung verwehrt ist.
Da die Beklagte unstreitig bereits auf Totalschadenbasis reguliert hat und eine Abrechnung auf Basis der fiktiv verlangten Reparaturkosten aus den oben dargelegten Gründen nicht in Betracht kommt, stehen dem Kläger weitere Zahlungsansprüche nicht zu. Auch die Meldung des wirtschaftlichen Totalschadens an das HIS-System erweist sich danach entgegen der Auffassung des Klägers nicht als rechtswidrig.
Soweit das Landgericht dem Kläger statt der geltend gemachten 93,77 EUR weiterer Sachverständigenkosten lediglich einen Betrag von 17,02 EUR zugesprochen hat, werden die entsprechenden Feststellungen mit der Berufung nicht angegriffen.
III. Dem Berufungsführer wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung - auch aus Kostengründen - zurückgenommen oder weiter durchgeführt werden soll.
redaktioneller Hinweis:
Auf den Hinweisbeschluss vom 06.04.2018 wurde die Berufung mit Beschluss vom 04.05.2018 zurückgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 11929015 |
NJW-Spezial 2018, 426 |