Leitsatz (amtlich)
Legen beide als Gesamtschuldner in Anspruch genommene Beklagte gegen ihnen zugestellte Mahnbescheide Widerspruch ein und unterbleibt die vom Kläger beantragte Abgabe beider Verfahren an das jeweilige Streitgericht in einem der Mahnverfahren, kann der Kläger den Rechtsstreit in dem abgegebenen Verfahren auf beide Beklagten erweitern. In diesem Fall kann eine Gerichtsstandbestimmung gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO zulässig sein, damit der Prozess vor einem Streitgericht geführt werden kann.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
Tenor
Zum zuständigen Gericht bestimmt wird das AG C.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Bestattungskosten in Anspruch, die für die Bestattung der Mutter der Beklagten entstanden sind.
Sie hat gegen beide Beklagte zunächst einen Mahnbescheid beantragt, gegen den die Beklagten Widerspruch eingelegt haben. Das Verfahren gegen den Beklagten zu 1), der im AGbezirk J wohnhaft ist, ist daraufhin durch das Mahngericht an das im Mahnbescheid angegebene AG J abgegeben worden. Das Verfahren gegen die Beklagte zu 2), die in R wohnt, ist nicht abgegeben worden. In dem Mahnbescheidsantrag hatte die Klägerin als Abgabegericht das AG C benannt.
Mit der Anspruchsbegründung vor dem AG J hat die Klägerin die Klage gegen die Beklagte zu 2) erweitert.
Sie beantragt die Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Die Beklagte zu 2) hat dahin Stellung genommen, dass aufgrund der Angabe des AG C in dem Mahnbescheidsantrag das AG J nicht für die gegen sie gerichtete Klage zuständig sei.
II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist als das nächsthöhere Gericht über den AGen J und C, die gem. den §§ 12, 13 ZPO nach dem Wohnsitz der Beklagten als Gerichte des allgemeinen Gerichtsstands zuständig sind, zu der Bestimmung der Zuständigkeit berufen.
2. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
a) Der Zuständigkeitsbestimmung steht entgegen dem Wortlaut von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegen, dass der Rechtsstreit bereits rechtshängig ist. Denn § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beruht auf Zweckmäßigkeitserwägungen. Es kann im Interesse der Parteien liegen, dass bei einer - von vornherein oder aufgrund einer Klageerweiterung - gegen mehrere Beklagte mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen gerichteten Klage auch noch nach Klageerhebung ein für alle Beklagten zuständiges Gericht bestimmt wird, um die Entscheidung des Rechtsstreits durch ein einziges Gericht herbeizuführen (st. Rspr., z.B. BGH, Beschluss vom 23.02.2011 - X ARZ 388/10, juris Rn. 6 f.; Senat, Beschluss vom 22.10.2012 - 32 SA 42/12, juris Rn. 14 f.; Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 36 ZPO Rn. 16). Voraussetzung ist allerdings, dass der Prozess noch nicht so weit fortgeschritten ist, dass der Zweck der Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts nicht mehr erreicht werden kann (BGH, Beschluss vom 23.02.2011 - X ARZ 388/10, juris Rn. 8; BGH, Beschluss vom 17.09.2013 - X ARZ 423/13, juris Rn. 7; Vollkommer in: Zöller, a.a.O., § 36 ZPO Rn. 15; Heinrich in: Musielak/Voit, ZPO, 12. Auflage 2015, § 36 ZPO Rn. 21). Das gegen beide Beklagten vor dem AG J geführte Verfahren, in dem bislang lediglich schriftsätzlich vorgetragen wurde, ist der Bestimmung nach diesen Kriterien noch zugänglich. Es handelt sich auch unter Berücksichtigung des Mahnverfahrens gegen die Beklagte zu 2) nicht um einen Fall von Verfahren, die an verschiedenen Gerichten rechtshängig sind. Denn das Verfahren gegen die Beklagte zu 2) ist durch das AG Uelzen als Mahngericht gerade nicht abgegeben worden.
b) Die Beklagten sollen als Gesamtschuldner und damit als Streitgenossen im Sinne der weit auszulegenden §§ 59 f. ZPO in Anspruch genommen werden. Ein gemeinsamer Gerichtsstand ist nicht sicher feststellbar.
3. Zum örtlich zuständigen Gericht hat der Senat auf der Grundlage von Erwägungen der Zweckdienlichkeit und Prozesswirtschaftlichkeit das AG C bestimmt. Dort ist der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 2 und zudem auch der örtliche Schwerpunkt des Rechtsstreits, da dort die Bestattung erfolgt ist, deren Kosten mit der Klage geltend gemacht werden.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass mit diesem Beschluss lediglich die örtliche Zuständigkeit für das derzeit vor dem Zivilgericht anhängige Verfahren bestimmt wird. Eine Entscheidung über die Zuständigkeit des AG als allgemeines Zivilgericht oder als Familiengericht ist damit nicht erfolgt. Im Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Gerichts sind die Prozessvoraussetzungen und ist damit auch die Rechtswegzuständigkeit nicht zu prüfen (BGH, Beschluss vom 17.03.2014 - ARNot1/13, juris Rn. 7). Dieser Beschluss steht einer etwa vorzunehmenden "Weiterverweisung" an das Familiengericht (vgl. § 17a Abs. 6 GVG) daher auch nicht entgegen.
Fundstellen
Dokument-Index HI10896569 |