Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr für den Verfahrenspfleger

 

Leitsatz (amtlich)

1) Der Umstand, dass ein vom Betreuer für den Betroffenen geschlossenes Rechtsgeschäft der betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf und in diesem Zusammenhang ein Verfahrenspfleger bestellt wird, der an der Überprüfung der angemessenen Wahrung der Interessen des Betroffenen mitwirkt, begründet keine Ungewissheit im Sinne der Nr. 1000 VV.

2) Ein Streit im Sinne der Nr. 1000 VV besteht nicht bereits dann, wenn die Beteiligten lediglich aus wirtschaftlichen Gründen eine Modifizierung des zwischen ihnen bestehenden Vertragsverhältnisses vereinbaren.

 

Normenkette

BGB § 1829; RVG-VV Nr. 1000 zu § 2 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Beschluss vom 01.09.2010; Aktenzeichen 23 T 359/10)

AG Bielefeld (Aktenzeichen 2 XVII B 258)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen abgeändert wird.

Der Beteiligte zu 3) hat dem Beteiligten zu 2) die ihm im Erstbeschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 5.347 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Betroffene ist Mitglied einer Erbengemeinschaft nach ihrem im Jahr 1993 verstorbenen Vater. Der Beteiligte zu 2) ist ihr Betreuer, u.a. mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge. Mit notariellem Vertrag vom 10.12.2004 schloss der Beteiligte zu 2) für die Beteiligte zu 1) mit den Miterben einen Teilerbauseinandersetzungsvertrag, mit dem u.a. Grundbesitz von der Erbengemeinschaft auf zum Nachlass gehörende Unternehmen übertragen worden sind, und beantragte die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung des Vertrages.

Mit Beschluss vom 20.8.2007 bestellte das AG den Beteiligten zu 3), einen Rechtsanwalt, zum berufsmäßigen Verfahrenspfleger mit dem Aufgabenkreis "Teilerbauseinandersetzung bzgl. des Grundbesitzes P".

Nach vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung des Teilerbauseindersetzungsvertrages beantragte der Beteiligte zu 3), ihm die Aufwendungen für seine Dienste als Rechtsanwalt zu bewilligen. Er machte eine 2,5 Geschäftsgebühr und eine 1,5 Einigungsgebühr nach einem Wert von 500.000 EUR nebst einer Pauschale für Post und Telekommunikation geltend.

Mit Beschluss vom 26.4.2010 setzte das AG die Vergütung unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV auf 8.936,90 EUR fest und wies den Antrag auf Festsetzung einer Einigungsgebühr zurück. Hiergegen legte der Beteiligte zu 3) sofortige Beschwerde ein, die das LG mit Beschluss vom 1.9.2010 zurückwies. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3).

II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29, 56g FGG, Art. 111 FG-ReformG statthaft und auch sonst zulässig.

In der Sache ist sie aber unbegründet, weil die Entscheidung des LG, auf die wegen der Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen wird, nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht, § 27 Abs. 1 FGG.

Das LG ist wie auch schon das AG zutreffend davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 3) für seine Tätigkeit als berufsmäßiger Verfahrenspfleger eine Vergütung auf der Grundlage des RVG beanspruchen kann. Berufsmäßige Verfahrenspfleger erhalten allerdings grundsätzlich den Ersatz von Aufwendungen (§ 67a FGG Abs. 1 S. 1 FGG i.V.m. § 1835 Abs. 1 und 2 BGB) und gem. § 67a FGG Abs. 2 S. 1 FGG i.V.m. § 1836 Abs. 1 BGB zusätzlich eine Vergütung, deren Höhe sich in entsprechender Anwendung der §§ 1 bis VBVG errechnet (§ 67a Abs. 2 S. 2 FGG). § 1 Abs. 2 S. 2 RVG eröffnet Rechtsanwälten aber die Möglichkeit, die Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben über § 1835 Abs. 3 BGB abzurechnen, und zwar, trotz des Ausschlusses des § 1835 Abs. 3 BGB in § 67a Abs. 1 S. 1 FGG, auch im Rahmen einer Tätigkeit als Verfahrenspfleger (BVerfG FamRZ 2000, 345; BGH NJW 1998, 3567; OLG München FGPrax 2008, 207; Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 277 Rz. 9).

Dies ist allerdings nur in den Fällen gerechtfertigt, wenn die zu bewältigende Aufgabe besondere rechtliche Fähigkeiten fordert und daher eine originär anwaltliche Dienstleistung darstellt (vgl. BVerfG und BGH, a.a.O.). Es muss sich um eine Aufgabe handeln, für die ein anderer Verfahrenspfleger in vergleichbarer Lage vernünftiger Weise einen Rechtsanwalt herangezogen hätte, weil sie eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit einschließt (vgl. BVerfG, a.a.O.). Abzustellen ist hierbei darauf, ob gerade auch ein Verfahrenspfleger mit einer Qualifikation, die ihm Anspruch auf Honorierung seiner Tätigkeit nach der höchsten Vergütungsstufe gibt, im konkreten Fall einen Rechtsanwalt zu Rate gezogen hätte (BGH NJW 2007, 844; BayObLGZ 2004, 339; OLG München, a.a.O.). Eine anwaltsspezifische Dienstleistung liegt z.B. vor, wenn, wie hier, auf einen Antrag auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu prüfen ist, ob ein umfangreiches Vertragswerk dem Wohl des Betroffenen entspricht (Keidel/Budde, a.a.O., Rz. 11 m.w.N.).

Zutreffend hat daher das AG ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?