Leitsatz (amtlich)
1. Ein Straßenbauunternehmen ist von der Wahrnehmung seiner Pflicht zur Verkehrssicherung nicht deshalb entbunden, weil daneben die zuständigen Behörden Maßnahmen angeordnet oder getroffen oder die von dem Bauunternehmer getroffenen Maßnahmen gebilligt haben (BGH Urt. v. 8.2.1977 - VI ZR 217/74, VersR 1977, 543; OLG Hamm Urt. v. 6.4.2022 - 11 U 143/21, BeckRS 2022, 28173 = juris Rn. 7; OLG Karlsruhe Urt. v. 26.1.2005 - 7 U 161/03, BeckRS 2005, 1746 = juris Rn. 6). Lediglich soweit die Beklagte als Verwaltungshelferin tätig geworden ist, erfolgt ein Haftungsübergang auf den Staat gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG (BGH Urt. v. 11.1.2024 - III ZR 15/23, r+s 2024, 324; BGH Urt. v. 13.4.2023 - III ZR 215/21, r+s 2023, 729 Rn. 21; BGH Urt. v. 6.6.2019 - III ZR 124/18, NJW-RR 2019, 1163 Rn. 10).
2. Ein Straßenbauunternehmen, das auf öffentlichen Straßen Arbeiten durchführt, hat die Baustelle kenntlich zu machen und abzusichern, wobei jeweils die konkreten örtlichen Verhältnisse, die Art und Weise der Benutzung des betroffenen Verkehrsraums und die durch diese Umstände bedingte Gefahrenlage im Einzelfall - hier Fahrbahnverschwenkung, Fräskante und Rollsplitt - für den Inhalt und Umfang der zu treffenden Maßnahmen ausschlaggebend sind (BGH Urt. v. 25.2.2014 - VI ZR 299/13, NJW 2014, 2104 Rn. 17; OLG Karlsruhe Urt. v. 26.1.2005 - 7 U 161/03, VersR 2006, 855).
Normenkette
BGB §§ 823, 839; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Siegen (Aktenzeichen 2 O 69/21) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Siegen (2 O 69/21) vom 17.03.2022 gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird dem Kläger Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offen-sichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Einwendungen des Klägers, bezüglich derer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Berufungsbegründung vom 28.04.2022 (Bl. 4 ff. der zweitinstanzlichen elektronischen Gerichtsakte) Bezug genommen wird, greifen letztlich nicht durch. Die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung. Dem Kläger steht auch unter dem Gesichtspunkt einer (eigenen) Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu. Im Einzelnen:
1. Die Berufung rügt zu Recht, dass der erstinstanzlich erkennende Richter den klägerischen Vortrag nicht erschöpfend rechtlich gewürdigt hat. Dem Kläger ist insoweit zuzugestehen, dass den eine Straßenbaumaßnahme durchführenden Bauunternehmer grundsätzlich die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der von ihm eingerichteten und betriebenen Baustelle trifft, und zwar unabhängig und neben einer etwaig der Straßenbaubehörde bzw. dem Straßenbaulastträger obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Aufgrund dieser eigenverantwortlichen Stellung des Bauunternehmers ist er von der Wahrnehmung seiner Pflicht zur Verkehrssicherung nicht deshalb entbunden, weil daneben die zuständigen Behörden Maßnahmen angeordnet oder getroffen oder die von dem Bauunternehmer getroffenen Maßnahmen gebilligt haben (OLG Hamm Urt. v. 6.4.2022 - 11 U 143/21, BeckRS 2022, 28173 Rn. 7, beck-online unter Verweis auf OLG Karlsruhe Urt. v. 26.1.2005 - 7 U 161/03, insbesondere juris Rn. 6). Lediglich soweit die Beklagte als Verwaltungshelferin tätig geworden ist, ist ein Haftungsübergang auf den Staat gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG erfolgt (vgl. BGH Urt. v. 13.4.2023 - III ZR 215/21, juris Rn. 21; BGH Urt. v. 6.6.2019 - III ZR 124/18, juris Rn. 10).
a) Soweit die Beklagte Aufgaben der Beschilderung für die Straßenverkehrsbehörde im Rahmen der Baustellenabsicherung übernommen hat, handelte diese - wie bereits das erstinstanzliche Urteil zutreffend ausgeführt hat - als Verwaltungshelferin, so dass eine Haftung für etwaige Verkehrssicherungspflichtverletzungen im Rahmen der von der Streithelferin vorgegebenen Beschilderung gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG auf den Staat übergegangen ist. Insoweit handelten die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes.
b) Das Landgericht hat im Rahmen seiner Prüfung allerdings übersehen, dass grundsätzlich auch eine Haftung der Beklagten im Hinblick auf die Absicherung der von ihr betriebenen Baustelle gemäß § 823 Abs. 1 i.V.m. § 31 BGB (entweder wegen Organisationsverschuldens des Geschäftsführers der Beklagten oder wegen unzureichender Baustellenabsicherung durch den von der Beklagten insoweit betrauten Mitarbeiter) in Betracht kommt, soweit ihr diesbezüglich eine eigene Verkehrssicherungspflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Dies ist jedoch nicht der Fall, so dass sich das Urteil des Landgerichts im Ergebnis als richtig erweist.
aa) Na...