Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohlverhaltenspflicht beim Umgangsrecht; Einwirkungsmöglichkeiten je nach Alter des Kindes; Zwangsgeld
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen der Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen (behaupteten) Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht beim Umgang (§ 1684 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Normenkette
FGG § 33; BGB § 1684 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Recklinghausen (Beschluss vom 17.09.2007; Aktenzeichen 45 F 318/03) |
Tatbestand
Durch Beschluss vom 17.9.2007 hat das Familiengericht den Antrag des Antragsgegners auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zurückgewiesen. Es könne, so hat das Familiengericht zur Begründung ausgeführt, nicht festgestellt werden, dass die Antragstellerin schuldhaft gegen ihre Verpflichtung verstoßen habe, dem Antragsgegner den Umgang mit den gemeinsamen Kindern E, geb. 2.10.1996, und M, geb. 10.8.1999, zu ermöglichen. Die Antragstellerin habe sich im Gegenteil bei der Vorbereitung der begleiteten Umgangskontakte kooperativ verhalten. Die ablehnende Haltung der Kinder sei vielmehr durch das problematische Verhältnis der Kindeseltern zueinander zu erklären, beruhe somit nicht auf einem Fehlverhalten der Antragstellerin.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsgegner Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist gem. § 19 FGG zulässig, aber unbegründet.
1. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 33 Abs. 1 S. 1 FGG liegen nicht vor.
a) Allerdings fordert § 1684 Abs. 2 BGB vom Umgangsverpflichteten (hier: der Antragstellerin), den Umgang in aktiver Weise zu fördern. Er muss nicht nur alles unterlassen, was den Umgang erschwert; er muss darüber hinaus aktiv auf das Kind mit dem Ziel einwirken, psychische Vorbehalte des Kindes gegen den Umgang mit dem andern Elternteil abzubauen und eine positive Einstellung zu gewinnen (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1684 Rz. 14 m.w.N.). Diese Pflicht zu aktivem Handeln gehört, ohne dass hierüber eine ausdrückliche Bestimmung getroffen werden muss, zur sog. Wohlverhaltenspflicht des § 1684 Abs. 2 BGB. Unterbleibt der Umgang, weil diese Pflicht schuldhaft verletzt wird, ist die Festsetzung eines Zwangsgeldes möglich.
b) Vorliegend kann indes eine solche schuldhafte (zu diesem Erfordernis vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 33 Rz. 19 m.w.N.) Verletzung gegen die sich aus der Wohlverhaltensklausel ergebenden Verpflichtungen nicht festgestellt werden.
aa) Aus dem Bericht des Heilpädagogischen Kinderheims I2 - Zweigstelle I - vom 22.3.2007 geht hervor, dass die Antragstellerin sich vor allem nach dem ersten, unbefriedigend verlaufenden Umgangskontakt bemüht hat, den entgegenstehenden Willen der Kinder zu überwinden. Die Antragstellerin habe sich bei der Vorbereitung des zweiten Umgangskontaktes kooperativ gezeigt, habe sich auf die Anregungen der Umgangsbegleiterinnen eingelassen und sogar von sich aus die Frage in den Raum gestellt, ob nicht eine Mediation zwischen den Elternteilen hilfreich sein könnte.
Tatsachen, die dem entgegen stehen und eine schuldhafte Nichterfüllung der sich aus § 1684 Abs. 2 BGB ergebenden Verpflichtungen belegen, sind nicht erkennbar. Soweit der Antragsgegner - wie schon im Umgangsverfahren - die Weigerungshaltung der Kinder mit dem PAS-Syndrom zu erklären sucht, um daraus eine schuldhafte Verletzung der der Antragstellerin obliegenden Wohlverhaltenspflicht herzuleiten, greift dies zu kurz. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 27.10.2006 eingehend dargelegt, dass das PAS-Syndrom zur Erklärung einer vermeintlich irrationalen Weigerungshaltung nicht tauglich ist, weil es - jedenfalls im vorliegenden Fall - die Gründe für eine solche Reaktion der Kinder unzulässig reduziert und andere Ursachen außer acht lässt. Dabei ist der Senat seinerzeit davon ausgegangen, dass die Ablehnungshaltung der Kinder in der Tat eher vordergründig ist und nicht der tatsächlich bestehenden Bindung zum Antragsgegner entspricht. Der Senat ist in Übereinstimmung mit der Sachverständigen und dem Jugendamt ferner davon ausgegangen, dass kein kompromissloses Abwenden vom - im Sinne des PAS-Syndroms bösen und gehassten - Antragsgegner festgestellt werden könne. Vielmehr sei die Ursache für das Verhalten der Kinder in dem konfliktbeladenen Verhältnis der Eltern zueinander zu sehen, so dass die Ablehnungshaltung ggü. dem Antragsgegner ein Schutzmechanismus vor den zermürbenden familiären Konflikten sei. Dass sich an diesem konfliktbeladenen Verhältnis nichts geändert hat, zeigen der Bericht des Heilpädagogischen Kinderheims I2 - Zweigstelle I - vom 22.3.2007 und die ihm beigefügte Dokumentation über die Umgangskontakte.
bb) In der Regel ist zwar davon auszugehen, dass der Widerstand kleinerer Kinder mit erzieherischen Mittel überwunden werden kann. Bei größeren Kindern - die Grenze wird bei etwa neun bis elf Jahren gezogen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 624 m.w.N.; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1684 Rz. 40) - ist von einer derartigen Einwirkungsmöglichkeit aber nicht mehr ...