Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsichtsrecht des Vermächtnisnehmers in die eröffnete Verfügung von Todes wegen
Leitsatz (amtlich)
Ein Vermächtnisnehmer muss regelmäßig nur erfahren, wer Erbe bzw. Testamentsvollstrecker ist, um sein Vermächtnis durchsetzen zu können. Ein darfüber hinausgehendes Einsichtsrecht kann sich im Einzelfall ergeben, etwa wenn der Erbe behauptet, das Vermächtnis sei durch eine spätere letztwillige Verfügung widerrufen worden oder wenn die Frage, ob eine testamentarisch bedachte Person als Erbe oder Vermächtnisnehmer in Betracht kommt, nur durch Auslegung der letzwilligen Verfügung beantwortet werden kann.
Normenkette
FamFG § 357
Verfahrensgang
AG Herne (Beschluss vom 24.04.2014; Aktenzeichen 7 VI 15/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des AG Herne vom 24.4.2014 teilweise abgeändert.
Ergänzend zu der bislang gewährten Einsicht in die letztwilligen Verfügungen des Erblassers werden dem Beteiligten zu 1) die aus der Anlage zu diesem Beschluss ersichtlichen Ablichtungen übersandt.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Am 9.3.1991 errichtete der Erblasser vor dem Notar I in K (UR-Nr. 138/1991) ein notarielles Testament, in welchem er eine Alleinerbin und den Beteiligten zu 3) als alleinigen Ersatzerben einsetzte sowie nähere Regelungen zu Vermächtnissen traf, hinsichtlich derer er auf eine Anlage zu dem Testament Bezug nahm; ferner ordnete er Testamentsvollstreckung mit der Aufgabe an, u.a. die Vermächtnisse zu erfüllen. In der mit "Vermächtnisse" überschriebenen Anlage wandte der Erblasser dem Beteiligten zu 1) zur Hälfte ein näher bezeichnetes Aktiendepot zu. Zudem setzte er unter acht weiteren Ziffern weitere Einzelvermächtnisse aus.
Mit gesonderter handschriftlicher Verfügung vom 9.3.1991 traf der Erblasser Regelungen zur Vergütung des Testamentsvollstreckers. Diese ersetzte er mit einer weiteren handschriftlichen Anordnung vom 23.3.2001.
In einer separaten handschriftlichen Verfügung vom 23.3.2001, überschrieben mit "Einzelvermächtnisse" wandte der Erblasser dem Beteiligten zu 1) einen Betrag von 50.000 DM zu. Weitere Einzelvermächtnisse brachte er unter acht weiteren Ziffern aus. Abschließend verfügte er: "Diese Erklärung ersetzt diejenige vom 9.3.1991 und die vom 8.3.1997, versehen mit handschriftlichen Änderungen. Letztere befindet sich in meinen Unterlagen."
Mit - noch nicht eröffneter - Verfügung vom 28.1.2004, wiederum überschrieben mit "Einzelvermächtnisse" traf der Erblasser weitere Bestimmungen, und ordnete an, diese Erklärung ersetze diejenigen vom 9.3.1991, 8.3.1997 und 23.3.2001.
Das AG hat die vorgenannten letztwilligen Verfügungen, mit Ausnahme der noch nicht im Original vorliegenden vom 28.1.2004, eröffnet und den Vermächtnisnehmern auszugsweise Fotokopien der sie betreffenden Verfügungen übersandt. Der Beteiligte zu 1) erhielt eine Ablichtung des notariellen Testaments vom 9.3.1991, jedoch ohne die Schlussbemerkungen und die Unterschriften. Weiterhin erhielt er aus der mit "Vermächtnisse" überschriebenen Verfügung vom 9.3.1991 eine Ablichtung der das ihm zugedachte Aktiendepot betreffenden Passage. Ob eine Verfügung, ihm auch die ihn betreffende Passage aus der letztwilligen Verfügung vom 23.3.2001 zu übersenden, ausgeführt wurde, ist nicht ersichtlich.
Den Antrag des Beteiligten zu 1) auf vollständige Akteneinsicht hat das AG durch Beschluss mit der Begründung zurückgewiesen, mit dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der anderen Beteiligten und auch der schutzwürdigen Vermögenssphäre des Erblassers sei eine weiter gehende Übersendung von Ablichtungen oder eine vollständige Akteneinsicht nicht vereinbar. Das rechtliche Interesse des Beteiligten zu 1) als Vermächtnisnehmer gehe nur so weit, die ihn betreffenden Verfügungen von Todes wegen zu erfahren.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1). Dieser begründet sein rechtliches Interesse damit, dass er darauf angewiesen sei, zu erkennen, wie die unterschiedlichen Verfügungen von Todes wegen zueinander in Beziehung stünden, um den Umfang seiner Rechte überprüfen zu können.
II. Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht i.S.v. §§ 63 Abs. 1; 64 FamFG eingelegt.
In der Sache erweist sich die Beschwerde nur teilweise als begründet. Der rechtliche Ausgangspunkt der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend. Gemäß § 357 Abs. 1 FamFG ist nur derjenige berechtigt, eine eröffnete Verfügung von Todes wegen einzusehen, der ein dahingehendes rechtliches Interesse glaubhaft macht. Daraus folgt, dass die Befugnis zur Einsichtnahme nur in dem Umfang und an den Teilen der eröffneten Verfügung besteht, an denen der Antragsteller auch ein rechtliches Interesse hat. Dies ergibt sich aus einer restriktiven Interpretation der in § 357 Abs. 1 FamFG getroffenen Regelung, welche nach dem...