Leitsatz (amtlich)
Für eine Klage wegen der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bei einer Landesstraße sind der Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen als rechtlich unselbständiger Teil der Landesverwaltung und - mangels Direktanspruchs - der Haftpflichtversicherer nicht passivlegitimiert.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a, 43
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 237/20) |
Tenor
I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 30.11.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivil-kammer des Landgerichts Bielefeld durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner wegen eines Unfalls, den sie nach ihrem Behaupten am 10.02.2018 gegen 13.00 Uhr als Fußgängerin bei dem Überqueren der A-Straße im B erlitten haben will, auf Zahlung eines angemessenen, ihrer Vorstellung nach sich zumindest auf 20.000,- EUR belaufendes Schmerzensgeldes sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.171,67 EUR in Anspruch.
Nach ihrem Behaupten ist die Klägerin zum Unfallzeitpunkt in B von der C-Straße kommend der A-Straße, bei der es sich um die Landstraße ... handelt, zunächst linkseitig der im Jahr 2017 neu geteerten Fahrbahn gefolgt. Als sie die A-Straße in Höhe des von dieser abzweigenden D-Straße habe überqueren wollte, sei sie mit ihrem Fuß an der ca. 10 cm hohen Kante der neuen Fahrbahndecke hängengeblieben und zum Fall gekommen. Dabei habe sie sich erhebliche Verletzungen zugezogen.
In erster Instanz haben die Parteien unter anderem darüber gestritten, ob die Beklagten überhaupt passivlegitimiert sind, ob es sich bei der von der Klägerin behaupteten Unfallstelle um eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle gehandelt hat und wenn ja, ob der Klägerin ein anspruchsausschließendes Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls zur Last fällt.
Das Landgericht hat die Klägerin am 30.11.2020 persönlich angehört und anschließend mit Urteil vom gleichen Tage die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Schmerzensgeldanspruch der Klägerin aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG und § 249 BGB als der hier einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage scheitere schon daran, dass die Beklagten nicht passivlegitimiert sein. Verkehrssicherungspflichtig für die L ... sei nicht die Beklagte zu 1.) sondern das Land Nordrhein-Westfalen. Mit der in § 43 Abs. 2 StrWG NRW geregelten Aufgabenübertragung auf die Beklagte zu 1.) gehe keine Entbindung des Landes Nordrhein-Westfalen von seiner Verkehrssicherungspflicht einher. Nach § 14 a Abs. 1 LOG NRW handele es sich bei der Beklagten zu 1.) um einen rechtlich unselbständigen, organisatorisch abgesonderten Teil der Landesverwaltung mit der Folge, dass sich der Regelung des § 43 Abs. 2 StrWG NRW keine originäre oder ihr übertragene Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1.) entnehmen lasse. Die Beklagte zu 2.) sei hingegen mangels eines gegen sie bestehenden Direktanspruchs nicht passivlegitimiert, weil es sich bei ihr nicht im Sinne von § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG um eine Haftpflichtversicherung zur Erfüllung einer nach dem Pflichtversicherungsgesetz bestehenden Versicherungspflicht handele. Abgesehen davon fehle es vorliegend aber auch einer Verkehrssicherungspflichtverletzung. Ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder sei ein linksseitig der Fahrbahn gelegener Fußweg nicht ersichtlich. Dass ein unbefestigtes Bankett in unterschiedlicher Höhe Abbruchkanten zur Fahrbahn aufweise, liege auf der Hand. Da die Klägerin zunächst einige Zeit parallel zur Fahrbahn gegangen sei, habe sie die Fahrbahnkante auch ohne weiteres erkennen und ihr Verhalten beim Überqueren der Straße leicht auf diese einstellen können. Da sie dies unterlassen habe, falle ihr jedenfalls ein anspruchsausschließendes Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls zur Last.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts einschließlich der erstinstanzlichen Anträge und der Urteilsbegründung wird auf die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts vom 30.11.2020 Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Sie vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Beklagten passivlegitimiert sein. Sie habe vor Klageerhebung direkt bei der Beklagten zu 1.) in E entsprechende Erkundigungen eingeholt, wobei die Beklagte zu 1.) ihr die gemäß § 43 StrWG NRW übertragene Aufgabenwahrnehmung bestätigt, sie jedoch als Ansprechpartner an ihre Regionalniederlassung Ostwestfalen-Lippe verwiesen habe. Letztere habe in ihrem als Anlage K6 vorgelegten Antwortschreiben weder auf eine fehlende Zuständigkeit hingewiesen, noch die Ansprüche mangels Legitimation zurückgewiesen, sondern den Vorg...