Leitsatz (amtlich)

1) Ist die rechtskräftige Verurteilung zu einer Auflassungserklärung von einer Zug-um-Zug zu erbringenden Gegenleistung abhängig, tritt die Fiktionswirkung nach § 894 S. 2 ZPO erst mit der Erteilung einer qualifizierten vollstreckbaren Ausfertigung nach § 726 ZPO ein.

2) Eine zeitlich zuvor erklärte einseitige Auflassung des Titelgläubigers ist auch dann unwirksam, wenn ihm von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eine einfache vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt worden ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 726, 894 S. 2; BGB § 925

 

Verfahrensgang

AG Siegen (Beschluss vom 29.05.2012; Aktenzeichen LT-1085-4)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit das Grundbuchamt die Eintragung eines Amtswiderspruchs abgelehnt hat.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, einen Amtswiderspruch gegen die am 4.4.2012 erfolgte Eintragung des Beteiligten zu 2) als Alleineigentümer zugunsten der Beteiligten zu 1) einzutragen.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten beider Instanzen findet nicht statt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird im Umfang der Verwerfung des Rechtsmittels auf 22.500 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Soweit die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde die "Rückgängigmachung" der am 4.4.2012 erfolgten Eigentumsumschreibung begehrt, ist die Beschwerde unzulässig. Denn § 71 Abs. 2 S. 1 GBO schließt die Beschwerde gegen Eintragungen im Grundbuch aus, die - wie hier die Eintragung des Eigentümers - unter dem Schutz des öffentlichen Glaubens stehen. Hierauf hat der Senat bereits mit Verfügung vom 2.10.2013 hingewiesen. Da die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz ihres früheren Verfahrensbevollmächtigten vom 15.10.2013 (Bl. 243 d.A.) trotzdem auf einer "Rückgängigmachung" der beanstandeten Eintragung beharrt hat, war die Beschwerde teilweise als unzulässig zu verwerfen.

Der Senat geht aber in Übereinstimmung mit dem AG und entsprechend dem Hinweis vom 2.10.2013 davon aus, dass die Beschwerde hilfsweise gem. § 71 Abs. 2 S. 2 GBO auf die Eintragung eines Amtswiderspruchs gerichtet ist (vgl. Budde in Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., § 71 Rz. 38). Mit diesem beschränkten Ziel ist die Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insoweit hat sie auch in der Sache Erfolg.

Ein Amtswiderspruch ist gem. § 53 Abs. 1 S. 1 GBO einzutragen, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften eine Eintragung vorgenommen hat, durch die das Grundbuch unrichtig geworden ist. Die Gesetzesverletzung muss feststehen, die Unrichtigkeit des Grundbuchs dagegen nur glaubhaft sein. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die am 4.4.2012 erfolgte Eintragung des Beteiligten zu 2) als Alleineigentümer erfolgte unter Verstoß gegen § 20 GBO und hat zur Unrichtigkeit des Grundbuchs geführt, da es - bisher - an einer formgerechten Auflassung fehlt.

§ 925 Abs. 1 S. 1 BGB setzt voraus, dass die Einigung "bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile" vor einer zuständigen Stelle - also i.d.R. vor einem Notar - erklärt wird. Das Erfordernis der "gleichzeitigen Anwesenheit beider Teile" gilt allerdings nur eingeschränkt, wenn ein Vertragsteil - wie hier die Beteiligte zu 1) - zur Abgabe der Auflassungserklärung verurteilt worden ist. Dann genügt es im Ausgangspunkt, wenn im Anschluss an die nach § 894 ZPO als abgegeben fingierte Auflassungserklärung des Schuldners nur noch die Auflassungserklärung des Gläubigers beurkundet wird. In diesem Zusammenhang ist es streitig, ob der Gläubiger im Notartermin das (rechtskräftige und ggf. mit Vollstreckungsklausel versehene) Urteil vorlegen muss (so: BayObLGZ 1983, 181; BayObLG FGPrax 2005, 178; OLG München, Beschluss vom 11.9.2013, zitiert nach juris, Rz. 10; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rz. 747, 748; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 925 Rz. 6; Kössinger in Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., § 20 Rz. 193; Demharter, GBO, 28. Aufl., § 20 Rz. 24; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 20 Rz. 68; Beck'scher Online-Kommentar GBO/Hügel, § 20 Rz. 44; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 894 Rz. 7) oder ob das bloße Vorhandensein des (rechtskräftigen und ggf. mit Vollstreckungsklausel versehenen) Urteils genügt (so: Staudinger/Pfeifer, Neubearbeitung 2011, § 925 Rz. 84; BeckOK/BGB/Grün, § 925 Rz. 22; MünchKomm/BGB/Kanzleiter, 6. Aufl., § 925 Rz. 19). Im vorliegenden Fall ist die nach der herrschenden Meinung erforderliche Vorlage des Urteils durch den Beteiligten zu 2) im Beurkundungstermin nicht nachgewiesen, weil die notarielle Urkunde vom 14.9.2011 (UR-Nr. 445/2011 des Notars C) keine dahingehende Feststellung enthält. Darauf kommt es hier jedoch nicht entscheidend an, so dass die o.g. Streitfrage dahingestellt bleiben kann.

Es ist jedenfalls allgemein anerkannt, dass es nicht mehr den Anforderungen des § 925 Abs. 1 S. 1 BGB genügt, wenn der Gläubiger eine einseitige Auflassungserklärung beurkunden lässt, bevor überhaupt eine damit korrespondierende Auflassungserklärung des ...

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