Leitsatz (amtlich)

Das zuständige Gericht kann, wenn ein Mahnverfahren vorangegangen ist und mehrere Antragsgegner Widerspruch oder Einspruch eingelegt haben, nicht mehr nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bestimmt werden, wenn auf Veranlassung des Klägers bereits beide Verfahren vom Mahngericht an verschiedene Prozessgerichte abgegeben wurden und der Kläger seine Ansprüche gegenüber beiden Streitgerichten begründet hat, ohne zugleich auf eine Zuständigkeitsbestimmung hinzuwirken (im Anschluss an OLG Hamm, Beschlüsse vom 22.10.2012 - 32 SA 42/12 - und 19.4.2013 - 32 SA 9/13)

 

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens der gerichtlichen Zuständigkeitsbestimmung.

Der Wert für das Verfahren der gerichtlichen Zuständigkeitsbestimmung wird auf 47.980,90 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma T GmbH von den Beklagten als Gesamtschuldner die Erstattung von Zahlungen aus Geschäftsführerhaftung i.H.v. 239.544,49 EUR nebst Zinsen. Die Beklagte zu 1. war alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Insolvenzschuldnerin. Den Beklagten zu 2. nimmt der Kläger als faktischen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin in Anspruch.

Auf Antrag des Klägers sind gegen beide Beklagte zunächst Mahnbescheide durch das AG I -Mahnabteilung - erlassen worden.

Nach Eingang des Widerspruchs der Beklagten zu 1. hat das AG I das gegen die Beklagte zu 1. gerichtete Verfahren an das LG E abgegeben, welches der Kläger im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids als Prozessgericht im Falle des Widerspruchs benannt hatte. Dort ist die Akte am 12.8.2013 eingegangen. Der Kläger hat seinen Anspruch mit Schriftsatz vom 22.11.2013 begründet.

Nach Eingang des Widerspruchs des Beklagten zu 2. hat das AG I das gegen den Beklagten zu 2. gerichtete Verfahren an das LG C abgegeben, welches der Kläger im Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids als Prozessgericht im Falle des Widerspruchs benannt hatte. Dort ist die Akte am 8.8.2013 eingegangen. Der Kläger hat seinen Anspruch mit Schriftsatz vom 13.9.2013 begründet. Am 16.12.2013 wurde vor dem LG C bereits mündlich verhandelt.

Der Kläger beabsichtigt, beide Beklagte als Streitgenossen in einem Prozess in Anspruch zu nehmen. Mit Antragsschrift vom 4.2.2014 beantragt er daher, das zuständige Gericht zu bestimmen. Er regt an, das LG C als das gemeinsam zuständige Gericht zu bestimmen.

B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen aufgrund des fortgeschrittenen Verfahrensstadiums nicht vor.

I. Das OLG Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Verhältnis zu den in Betracht kommenden LG in E und C zur Entscheidung über das Gesuch um gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen.

II. Einer Zuständigkeitsbestimmung steht jedoch entgegen, dass auf Veranlassung des Klägers bereits beide Verfahren vom Mahngericht an verschiedene Prozessgerichte abgegeben wurden und der Kläger seine Ansprüche gegenüber beiden Streitgerichten begründet hat, ohne zugleich auf eine Zuständigkeitsbestimmung hinzuwirken.

1. Die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Vorschrift ("verklagt werden sollen") grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn gegen alle Beklagten bereits eine Klage anhängig ist, weil die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruht und es im Interesse der Parteien liegen kann, bei einer von vornherein gegen mehrere Beklagte (mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen) gerichteten Klage auch noch nach Klageerhebung ein für alle Beklagten zuständiges Gericht zu bestimmen, um die Entscheidung des Rechtsstreits durch ein einziges Gericht herbeizuführen (BGH NJW 1978, 321; NJW-RR 2011, 929, Tz. 7).

Zulässig ist die Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands im Interesse der Prozessökonomie deshalb, wenn der Antragsteller bereits mehrere Beklagte vor einem Gericht verklagt hat und einzelne davon die Unzuständigkeit dieses Gerichts geltend gemacht haben (BGH NJW 1984, 739).

Auch bei vorheriger gemeinsamer Inanspruchnahme der Beklagten im Wege des Mahnverfahrens schließt die Abgabe der Verfahren durch das Mahngericht an die für das Streitverfahren zuständigen Gerichte trotz Begründung der Rechtshängigkeit dort nicht von vornherein eine Gerichtsstandsbestimmung aus. Der BGH hat daher eine Bestimmung der Zuständigkeit gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch in einem Fall vorgenommen, in dem ein gegen mehrere Antragsgegner eingeleitetes Mahnverfahren nach Widerspruch zunächst an verschiedene Gerichte abgegeben worden war (BGH NJW 1978, 1982; zustimmend Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 696 Rz. 3; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 696 ZPO Rz. 10).

2. Gleichwohl können sich im Einzelfall aufgrund des konkreten Verfahrensstandes Einschränkungen ergeben, die der nachträglichen Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ...

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