Leitsatz (amtlich)
Haben mehrere Beklagte (Unfallgegner und Haftpflichtversicherer) im Inland unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände und ist ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand im Ausland begründet (Unfallstelle), kann gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein Gerichtsstand im Inland regelmäßig an einem Ort bestimmt werden, an dem einer der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. In diesem Fall ist kein "Opfergerichtsstand" am Wohnsitz des Klägers begründet.
Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 21 O 248/18) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Bonn.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 15.07.2017 in Frankreich ereignet hat. Der Kläger befuhr mit seinem Wohnwagen die Autobahn 7 auf der rechten Fahrspur. Gegen 21 Uhr stieß er auf dem Gebiet der Gemeinde F im E in der Region B mit dem Pkw des Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, zusammen. Wie es zu dieser Kollision kam, ist zwischen den Parteien strittig, insbesondere ob die Fahrerin des Pkw des Beklagten zu 1) von einem dritten Fahrzeug in Richtung der rechten Fahrspur gedrängt worden ist. Die Beklagten haben für die Richtigkeit ihrer Unfallschilderung insbesondere das Zeugnis der Fahrerin des Pkw des Beklagten zu 1), D, angeboten (Bl. 221 d.A.). Der Kläger hat sich zum einen auf das Zeugnis seiner Ehefrau berufen, die wie er in E2 lebt (Bl. 3 d.A.), und später für den Unfallhergang noch einen in Belgien und zwei in Frankreich wohnhafte Zeugen benannt (Bl. 239 d.A.).
Mit der Klage macht der Kläger den Wiederbeschaffungswert des Wohnwagens und Kosten für die Reparatur der Zugmaschine sowie weitere Schadenspositionen in Höhe von insgesamt 54.739,88 EUR nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagten als Gesamtschuldner geltend.
Das Landgericht hat mit Verfügung vom 18.09.2018 darauf hingewiesen, dass derzeit nicht erkennbar sei, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt das Landgericht Dortmund örtlich zuständig sein sollte (Bl. 207 d.A.). Die Beklagten haben daraufhin die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund gerügt (Bl. 215 d.A.).
Der Kläger hat sich dagegen zunächst auf den "Opfergerichtsstand" berufen, der an seinem Wohnsitz bestehe, und hilfsweise Verweisung an das Landgericht Bonn beantragt (Bl. 218 d.A.). Das Landgericht hat darauf mit dem Hinweis reagiert, dass im "Opfergerichtsstand" nur Klagen erhoben werden könnten, bei denen ansonsten eine ausländische Versicherung im Ausland verklagt werden müsse, was hier nicht der Fall sei, weil beide Beklagten im Inland ihren allgemeinen Gerichtsstand hätten (Bl. 236 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 07.11.2018 hat der Kläger daraufhin beantragt, gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das örtlich zuständige Gericht bestimmen zu lassen (Bl. 238a d.A.).
Das Landgericht Dortmund hat die Sache daraufhin mit Beschluss vom 19.11.2018 dem Oberlandesgericht Hamm zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt (Bl. 250 ff. d.A.). Darin hat es näher ausgeführt, dass ein gemeinsamer Gerichtsstand nicht bestehe und der Kläger sich nicht auf den "Opfergerichtsstand" berufen könne. Dieser greife nicht ein, wenn gegenüber den Beklagten im Inland verschiedene allgemeine Gerichtsstände vorlägen. In diesem Fall finde das nationale Gerichtsstandbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Anwendung.
Nach Eingang der Akte beim Oberlandesgericht Hamm hat der Senat die Parteien zur Frage der Gerichtstandbestimmung angehört (Bl. 255 d.A.). Der Kläger hat daraufhin geäußert, dass der kürzere Anfahrtsweg für die Verweisung an das Landgericht Bonn spreche (Bl. 259 d.A.). Die Beklagten haben keine Stellung genommen.
II. Die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
1. Der Kläger nimmt mit den beiden Beklagten zwei Personen gerichtlich in Anspruch, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, nämlich in den Bezirken der Landgerichte Bonn und Frankfurt am Main. Bei dieser Inanspruchnahme handelt es sich auch um eine gesamtschuldnerische, da die Beklagte zu 2) als Kfz-Haftpflichtversicherer nach § 3a Abs. 1 PflVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 4 VVG neben dem Beklagten zu 1) als Halter des gegnerischen Fahrzeugs als Gesamtschuldnerin für den geltend gemachten Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 15.07.2017 haften soll. Die Beklagten sind daher als Streitgenossen im Sinne von §§ 59, 60 ZPO verklagt worden.
2. Ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand, an dem sie beide gemeinsam verklagt werden können, besteht nicht, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt eines "Opfergerichtsstands" am Wohnort des Klägers.
a) Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Art. 11 Abs. 1 Buchstabe b) EuGVVO kann der Geschädigte einen Direktanspruch aus einem Haftpflichtversicherungsvertrag gegen das Versicherungsunternehmen an seinem Wohnsitz einklagen, sofern eine solche unmittelbare Klage zulässig ist und der Versicherer im Hoh...