Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebenswelt des Kindes kann bzgl. der Übertragung der Entscheidung betreffend Taufe und Kommunion entscheidend sein
Leitsatz (amtlich)
Können sich die Eltern über die Frage der religiösen Erziehung ihres Kindes nicht einigen, kann einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB übertragen werden, wenn der Streit eine Einzelfrage wie die christliche Taufe und die Teilnahme an der katholischen Erstkommunion betrifft.
Normenkette
BGB §§ 1628, 1697a; RelErzG § 5
Verfahrensgang
AG Warendorf (Aktenzeichen 9 F 207/11) |
Tenor
Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. O ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zur Abwehr der Beschwerde bewilligt.
Der Antrag des Antragsgegners vom 6.5.2011 auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Senat beabsichtigt eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren, § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG. Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme binnen 2 Wochen.
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners hat keine Aussicht auf Erfolg (§§ 76 FamFG, 114 ZPO).
Können sich die Eltern über die Frage der religiösen Erziehung ihres Kindes nicht einigen, kann einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB übertragen werden, wenn der Streit eine Einzelfrage wie im vorliegenden Fall die christliche Taufe und die Teilnahme an der katholischen Erstkommunion betrifft.
Die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Kindesmutter entspricht vorliegend dem Wohl des betroffenen Kindes am besten. Es ist zunächst zu beachten, dass der Senat selbst eine Entscheidung über die religiöse Kindererziehung nicht trifft, und zwar auch nicht, indem einem Elternteil die alleinige Entscheidungsbefugnis mit der Begründung übertragen wird, seine konkreten Vorhaben über Art und Umfang der Integration des Kindes in eine Religionsgemeinschaft entsprächen dem Kindeswohl besser als die des anderen Elternteils. Maßgeblich für die Entscheidung, wem die Befugnis zur Regelung der streitigen Einzelfrage zu übertragen ist, ist allein das Kindeswohl, § 1697a BGB. Zwar kann es danach im Einzelfall, insbesondere, wenn die Eltern - wie hier - aus verschiedenen Kulturkreisen stammen und verschiedenen Religionsgemeinschaften angehören, geboten erscheinen, ein Kind nicht alsbald endgültig in eine Religionsgemeinschaft zu integrieren, wie es durch Taufe und Kommunion der Fall wäre, sondern damit noch zuzuwarten (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 1255). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das betroffene Kind lebt bei der Antragstellerin, die selbst der katholischen Kirche angehört. Die Antragstellerin versorgt und erzieht das Kind. Ihr obliegt es dabei, das Kind in dessen Lebensumfeld kindeswohlgerecht zu integrieren. Diese Lebenswelt des Kindes ist aber überwiegend christlich geprägt. Viele der Mitschüler sind christlich getauft. Das Kind nimmt am christlichen Religionsunterricht in der Schule bereits teil.
Die Entscheidung, ob das Kind zur Erstkommunion gehen soll und dafür christlich getauft wird, steht unmittelbar bevor. Die Erstkommunion der Mitschüler ist im kommenden Jahr geplant. Vorbereitend wird dann auch der Kommunionunterricht besucht werden. Auch wenn nach § 5 RelErzG dem Kind vor Vollendung des 14. Lebensjahres kein Entscheidungsrecht zukommt, kann im Rahmen der Abwägung der Kindeswohlbelange nicht ohne Bedeutung bleiben, dass das Kind selbst eindeutig den Wunsch geäußert hat, an der Kommunionfeier teilnehmen zu dürfen. Deshalb wäre es dem Kind nicht verständlich zu machen, wenn seine Erstkommunion nicht stattfinden würde, während die Mitschüler an dem für ein Kind bedeutsamen Ereignis teilnehmen dürften.
Der Antragsgegner übt hingegen derzeit keinen entscheidenden Einfluss auf die religiöse Erziehung des Kindes aus. Kontakte zwischen ihm und dem Kind bestehen nicht. Das Kind lehnt diese - wie es im Rahmen der Anhörung durch das AG angegeben hat - ab. Durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Antragstellerin werden deshalb auch keine konkreten Versuche des Antragsgegners, das Kind mit seinen religiösen Vorstellungen vertraut zu machen, unterlaufen. Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Antragstellerin nicht ausgeschlossen ist, dass sich das Kind zu einem späteren Zeitpunkt zu einem anderen als dem christlichen Glauben bekennt und nach Eintritt der Religionsmündigkeit eine eigene Entscheidung für das Glaubensbekenntnis des Antragsgegners trifft.
Fundstellen