Leitsatz (amtlich)

Verlangt ein durch die Insolvenz des Darlehnsnehmers geschädigter Darlehnsgeber vom Vermittler des Darlehns und von dem für die Mittelverwendungskontrolle durch den Darlehnsnehmer beauftragten Treuhänder Schadensersatz, kann eine Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 I Nr. 3 ZPO gerechtfertigt sein, wenn die - aus unterschiedlichen Rechtsgründen - in Anspruch genommenen Anspruchsgegner aufgrund eines bestehenden sachlichen Zusammenhangs bei Anspruchsbegründung als Streitgenossen verklagt werden können.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, §§ 59-60

 

Verfahrensgang

LG I.

 

Tenor

Zum zuständigen Gericht wird das LG I bestimmt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller beantragt die Bestimmung des zuständigen Gerichts für eine Klage, mit der er beabsichtigt zu beantragen, die Antragsgegner zu verurteilen, an ihn 15.000 EUR nebst Zinsen zu zahlen und ihn von außergerichtlichen anwaltlichen Kosten freizustellen.

Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Klage Folgendes vor:

Der Antragsgegner zu 1 habe als Finanzvermittler unter Verletzung von Aufklärungspflichten dem Antragsteller als Vermögensanlage ein Nachrangdarlehen bei einer D GmbH mit einer Laufzeit von 6 Monaten und einem Zinssatz von 7,35 % vermittelt. Der Antragsteller legt dazu ein von der D GmbH angenommenen Antrag vor, nach dem der Antragsteller das Antragsformular an seinem eigenen Wohnsitz in T unterzeichnet hat. Er habe den Darlehensbetrag von 15.000 EUR in einen so genannten "Blindpool" eingezahlt. Dabei habe es sich um eine Kontoverbindung des Antragsgegners zu 2 gehandelt.

Der Antragsgegner zu 2 sei von der D GmbH als anwaltlicher Treuhänder bestellt worden. Die Vermögensanlage sei damit beworben worden, dass der Antragsgegner zu 2 als anwaltlicher Treuhänder eine Mittelfluss- und Mittelverwendungskontrolle vornehmen werde und so gewährleistet sei, dass die in den "Blindpool" geleisteten Beiträge ausschließlich in Immobilienprojektes flössen. Auch nach dem Treuhand- und Verwaltungsvertrag zwischen dem Antragsgegner zu 2 und der D GmbH habe das Kapital der Anlieger durch den Treuhänder nur dann an die D GmbH weitergeleitet werden sollen, wenn die "Gesellschaftereinlage" zuzüglich der Anteile am geplanten Gewinn zuvor seitens der D GmbH durch geeignete Maßnahmen gegen einen etwaigen Verlust abgesichert worden sei. Tatsächlich sei Gegenstand des Unternehmens der D GmbH im Wesentlichen das Einwerben von Darlehen privater Anleger gewesen.

Das Darlehen sei nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit nicht zurückgezahlt worden. Der Antragsteller habe es nachfolgend mit sofortiger Wirkung gekündigt. Über das Vermögen der D GmbH sei am 17.12.2015 das Insolvenzverfahren eröffnet worden.

Die Antragsgegner haften nach Auffassung des Antragstellers gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz. Der Antragsgegner zu 1 hafte aufgrund der Verletzung seiner Aufklärungspflichten auf Schadensersatz in Höhe der Darlehenssumme. Der Antragsgegner zu 2 hafte in gleicher Höhe auf Schadensersatz, da er seiner Verpflichtung als Treuhänder zur Kontrolle der Mittelverwendung nicht nachgekommen sei und es sich bei dem Treuhändervertrag um einen Vertrag zugunsten Dritter gehandelt habe.

Der Antragsgegner zu 1 hat seinen Wohnsitz in H, der Kanzleisitz des Antragsgegners zu 2 und sein allgemeiner Wohnsitz befinden sich in N. Der Antragsteller wohnt in T.

Die Antragsgegner treten der Bestimmung eines zuständigen Gerichts entgegen. Die Klage gegen den Antragsgegner zu 2 sei an dessen allgemeinen Gerichtsstand zu führen. Der Antragsgegner zu 1 macht geltend, angesichts der unterschiedlichen Tatsachengrundlagen und Ansprüche erscheine eine Auftrennung in zwei verschiedene Prozessrechtsverhältnisse sinnvoll.

II.1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1, Abs. 2 ZPO zur Entscheidung über den Antrag berufen. Das im Rechtszug zunächst höhere Gericht über den Gerichten des allgemeinen Gerichtsstands der Antragsgegner - gem. den §§ 12, 13 I und N - wäre der Bundesgerichtshof. Das Oberlandesgericht Hamm ist das Gericht, das zuerst mit der Sache befasst ist, da hier der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gestellt worden ist und kein anderes Gericht zuvor mit der Sache befasst war.

2. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.

a) Die Antragsgegner sollen als Streitgenossen verklagt werden.

Die Antragsgegner sind nach dem Vorbringen des Antragstellers, das im Bestimmungsverfahren zugrunde zu legen ist, jedenfalls Streitgenossen im Sinne von § 60 ZPO. § 60 ZPO beruht auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist grundsätzlich weit auszulegen. Dies erlaubt es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen oder rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft zu bejahen, wenn die Ansprüche auf der Beklagtenseite in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 59 ZPO Rn. 7 m.w.N.). Ist das der Fall, wird der sachliche Zusammenhang auch nicht dadurch auf...

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