Leitsatz (amtlich)
Die Entschädigung für einen Tag unrechtmäßig erlittener Haft ist vor dem Hintergrund der zum 08.10.2020 in Kraft getretenen Änderung des § 7 Abs. 3 StrEG, wonach die Entschädigung für den Tag einer rechtmäßig angeordneten Freiheitsentziehung nunmehr 75,00 EUR (anstatt zuvor 40,00 EUR) beträgt, auf 100,00 EUR zu bemessen.
Normenkette
BGB § 253 II, § 839; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 8 O 56/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 17.07.2020 teilweise abgeändert.
Dem Antragsteller wird vorläufig ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C aus I bewilligt, soweit er beantragt, das antragsgegnerische Land zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 900,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 54,15 EUR zu verurteilen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger. Er steht unter einer umfassenden rechtlichen Betreuung u.a. für die Aufgabenkreise der Vermögens- und Behördenangelegenheiten. Er begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes nach § 839 BGB, Art. 34 GG für eine zu Unrecht erlittene Strafvollstreckungshaft in dem Zeitraum vom 13.11.2018 bis zum 27.11.2018.
Der Antragsteller wurde durch Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 21.03.2018 wegen versuchter schwerer Körperverletzung und Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt. Eine Strafaussetzung zur Bewährung erfolgte nicht. Das Urteil wurde am Tag der Verkündung rechtskräftig. Vor Erlass des Strafurteils war der Antragsteller per Unterbringungsbefehl in der Zeit vom 12.10.2017 bis zum 21.03.2018 in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses untergebracht. Der Unterbringungsbefehl wurde am letzten Tag der Hauptverhandlung aufgehoben.
Am 25.10.2018 erließ die Staatsanwaltschaft Hagen (Rechtspfleger) einen Strafvollstreckungshaftbefehl aufgrund des Urteils vom 21.03.2018. Dabei blieb unberücksichtigt, dass die Zeit der Unterbringung auf die Strafhaft anzurechnen war, daher erging der Haftbefehl zu Unrecht. Am 13.11.2018 wurde der Antragsteller auf Grund des Haftbefehls festgenommen und in die JVA Hagen zur Verbüßung der Strafhaft überstellt. Am 27.11.2018 fiel die unrechtmäßige Inhaftierung des Antragstellers auf, er wurde am gleichen Tag entlassen.
Der Antragsteller macht wegen der rechtswidrigen Inhaftierung einen Schmerzensgeldanspruch gegen das antragsgegnerische Land geltend. Vorgerichtlich zahlte das Land auf Aufforderung des klägerischen Prozessbevollmächtigten ein Schmerzensgeld von 600,00 EUR (= 40,00 EUR/Tag) und erstattete dem Antragsteller Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 EUR.
Vor dem Landgericht hat der Antragsteller die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen und weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage beantragt. Er ist der Ansicht, ihm stehe unter Berücksichtigung der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Koblenz, München und Karlsruhe ein angemessenes Schmerzensgeld von insgesamt 7.000,00 EUR zu. Soweit sich das Land bei der Zahlung des Schmerzensgeldes an den Bestimmungen des StrEG orientiert habe, sei dies nicht haltbar, da das StrEG die Entschädigung für eine rechtmäßig erlittene Haft regle.
Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen und ausgeführt, dem Antragsteller stehe nach der Zahlung der 600,00 EUR kein weiteres Schmerzensgeld zu. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf Entscheidungen der Oberlandesgerichte Naumburg, Sachsen-Anhalt, München, Hamm und Brandenburg ausgeführt, ein Schmerzensgeld von 40,00 EUR für jeden Tag der unrechtmäßig erlittenen Haft sei unter Berücksichtigung des Entschädigungsbetrags für eine konventionswidrige Sicherungsverwahrung angemessen und ausreichend. Umstände, die ein höheres Schmerzensgeld erforderlich machten, habe der Antragsteller nicht vorgetragen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt.
Er ist der Auffassung, das Schmerzensgeld könne sich auch nicht an der Entschädigung für die konventionswidrige Sicherheitsverwahrung orientieren. Es sei zu berücksichtigen, dass die rechtswidrig vollzogene Strafhaft einen Schuld- und Strafcharakter habe. Über die Höhe des angemessenen Schmerzensgeldes nach einer rechtswidrig vollzogenen Strafhaft müsse in der Hauptsache entschieden werden, weil es hierzu an obergerichtlicher Rechtsprechung fehle. Im Übrigen belaufe sich der Entschädigungsbetrag gem. § 7 Abs. 3 StrEG nach der im Jahr 2020 erfolgten Reform bereits auf 75,00 EUR/Tag, so dass das angemessene Schm...