Verfahrensgang

AG Steinfurt (Aktenzeichen 11 VI 359/17)

 

Tenor

Die Beschwerde wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass ohne Entscheidung über den Antrag das Amtsgericht Steinfurt für unzuständig erklärt wird.

Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2), 4) und 5) die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 140.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das von der Beteiligten zu 1) beantragte europäische Nachlasszeugnis kann nicht erteilt werden, da das deutsche Nachlassgericht hierfür international nicht zuständig ist.

Die internationale Zuständigkeit in Erbsachen für Erbfälle mit Auslandsbezug ab dem 17.

August 2015 ergibt sich nunmehr grundsätzlich aus Art. 4 ff EuErbVO i. V. m. § 97 FamFG (vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., Rn. 45 zu Vorbem. zu §§ 97 -110). Die EuErbVO ist ein europäischer Rechtsakt, der Vorrang vor den Vorschriften des FamFG (§ 97 FamFG) hat. Nach Art. 4 EuErbVO ist hinsichtlich der Gerichtszuständigkeit nicht zwischen streitiger und freiwilliger Gerichtsbarkeit zu unterscheiden und an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers anzuknüpfen.

Dieser könnte im vorliegenden grenzüberschreitenden Fall entweder in Spanien oder in Deutschland gelegen haben. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt ist in diesem Zusammenhang entsprechend dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung unter Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der persönlichen und familiären Eingliederung des Erblassers in den (Aufenthalts-)Mitgliedstaat zu bestimmen (KG ZEV 2016, 514f). Darüber hinaus sind für eine Auslegung die Erwägungsgründe 23 und 24 der EuErbVO heran zu ziehen (OLG Hamm, 10. Zivilsenat, ZEV 2018, 343f; OLG Hamburg RPfleger 2017, 153f). Maßgebend bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist danach der "Mittelpunkt des Lebensinteresses des Erblassers". Dies erfordert eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen, insbesondere der Dauer und der Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers im Zweitstaat. Die Willensrichtung des Erblassers muss im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung zwar Berücksichtigung finden (OLG Hamm a.a.O.), sie ist jedoch nicht geeignet, den gewöhnlichen Aufenthalt entgegen der objektiven Gestaltung der Lebensverhältnisse zu begründen. Andernfalls würde unzulässigerweise der Umstand umgangen, dass die EuErbVO eine Gerichtsstandbestimmung durch den Erblasser nicht zulässt.

In Anwendung dieser Grundsätze würdigt der Senat den vorliegenden Sachverhalt dahingehend, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hatte. Dabei verkennt der Senat im Ausgangspunkt nicht, dass der Erblasser kaum in die spanische Gesellschaft integriert war und zwar wohl auch, weil er der spanischen Sprache nicht mächtig war. Ersteres gilt jedoch entsprechend für die deutsche Gesellschaft. Während seiner Aufenthalte in Deutschland hat er nämlich nach dem Inhalt der mündlichen Verhandlung außerhalb seiner Familie, des Umfelds seines Sohnes und seiner Religion ebenfalls keine nennenswerten sozialen Kontakte gepflegt. Insgesamt ergibt sich für den Senat aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung das Bild eines Menschen, der wenig Wert auf soziale Kontakte legte und sein Leben nach seinen Vorstellungen gestalten wollte. Hinzu kommt, dass der Erblasser familiäre Kontakte in Form von Besuchen auch in Spanien pflegte, wenn auch weit geringerem Umfang, und er auch in Spanien regelmäßig an religiösen Versammlungen teilnahm, aus denen sich, wie die Beteiligte zu 1) angegeben hat, auch gesellige Kontakte ergaben.

Für eine engere Bindung an Deutschland spricht vordergründig noch, dass der Erblasser jedenfalls zuletzt Bankenkonten nur noch bei in Deutschland ansässigen Geldinstituten unterhielt. Andererseits war jedoch, legt man die Angaben der Beteiligten zu 1) zugrunde, ein ganz wesentlicher Vermögensgegenstand, nämlich der hälftige Anteil an der Immobilie, in Spanien belegen.

Vor diesem ambivalenten Hintergrund kommt nach Auffassung des Senats der tatsächlichen Aufenthaltsdauer entscheidendes Gewicht zu. Hier erschließt sich aus den Kreditkartenübersichten, dass sich der Erblasser in den letzten Jahren vor seinem Ableben ganz überwiegend in Spanien aufgehalten hat. In den Jahren 2012 und 2013 lassen sich nur etwa 4,5 Wochen ausmachen, in welchen er sich in Deutschland aufgehalten hat. In 2014 hat er sich bis Anfang November lediglich für zwei Wochen in Deutschland aufgehalten. Im November und Dezember 2014 sowie ...

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